Wer Zugriff auf das HAMNET haben will, hat bislang zwei Möglichkeiten: Er besorgt sich einen VPN-Zugang
über das Internet oder er nutzt einen der Benutzerzugänge im 13- oder 6-cm-Band. Schon diverse OMs mit
Klasse-E-Rufzeichen klagten, auf diesen Bändern dürften sie nicht arbeiten, warum es denn keine Zugänge auf 70 cm
gäbe.
Meine persönliche Sicht der Dinge: Der billigste Weg ist sicher, nochmals bei der BNetzA anzutreten und die
Klasse-A-Prüfung abzulegen. Wirklich schlagend ist ein ganz anderes Argument: Ein 70-cm-Zugang könnte eine
viel größere Reichweite haben.
Die Frequenznutzung
Im 70-cm-Band gibt es zwei 200 kHz breite Zuweisungen für automatische digitale Stationen:
434,800 - 435,000 MHz und 439,600 - 439,800 MHz. Die verfügbare Technik beschränkt sich wohl auf die alten
Link-Transceiver für Packet-Radio mit 76,8 kbit/s Übertragungsrate. Mal abgesehen davon, dass man diese Jahrzehnte
alte Technik mangels Verfügbarkeit vieler Bauelemente wohl kaum noch nachbauen kann: Wer schon mal mit seinem
Smartphone mangels UMTS auf GPRS zurückgeworfen wurde wird verstehen, warum ich diese Übertragungsgeschwindigkeit
für ein modernes System gleich ausschließe.
Über eine Bandbreite von 200 kHz kann man mit modernen Übertragungsverfahren durchaus 1 Mbit/s übertragen. Bei diesen Systemen
suchen sich die Kommunikationspartner einen passenden Kompromiss aus Übertragungsrate und benötigtem Störabstand des
Übertragungskanals. Wer WLAN entsprechend bewusst nutzt weiß, dass die Kommunikationspartner die Übertragungsrate entsprechend
der verfügbaren Feldstärke (und damit dem Störabstand) aushandeln. Wenn man sein Signal in 64 unterscheidbaren Stufen moduliert,
kann man 6 bit in einem Schritt übertragen.
Mit 20 dB HF-Störabstand klappt das natürlich nicht. Und das Erhöhen der Bandbreite von 10 kHz (FM) auf 200 kHz kostet auch
nochmal 13 dB Störabstand. So weit wie ein Sprachrelais im 70-cm-Band wird eine Packet-Radio-Anbindung auf 70 cm also sicher
nicht funktionieren.
Welche Technik benutzen?
Die Zeiten, in denen man seine Projekte aus einzelnen Transistoren usw. zusammengebaut hat, sind wohl endgültig vorbei.
Spätestens bei SMD-Technik im 0,1-mm-Raster ist fast jeder mit Hausmitteln am Ende. Viel sinnvoller ist, sich fertige
Funktionsblöcke zu beschaffen und damit etwas anzufangen.
Die oben angedeuteten Modulationsverfahren sind im professionellen Bereich schon lange ein alter Hut – vom Handy
über WLAN bis bis DVB-T. Experimentierplattformen mit digitalen Signalprozessoren (DSP) gibt es auch diverse, von
Evaluationsboards der Halbleiterhersteller bis zu ausdrücklichen Experimentalsystemen wie
HackRF. Der HackRF kann viel mehr, als wir für einen
70-cm-HAMNET-Transceiver bräuchten – es fehlen eigentlich nur noch Leistungsverstärker und Antenne.
Auf der HAMNET-Tagung 2019 war das Thema ein Schwerpunkt, siehe
https://de.ampr.org/owncloud/s/8GH2EaBQ8Kfepye#pdfviewer. Kurzfassung: Meine Überlegungen werden bestätigt,
es gibt aber endlich vielversprechende Experimente. Es gibt auch Überlegungen, den Downlink auf 23 cm zu machen, weil dort
größere Kanalbreiten möglich sind. Einerseits sehe ich das positiv, weil man den Empfang dort mit einem RTL-SDR sehr
einfach verwirklichen könnte. Andererseits vergibt man damit einen Gutteil des Reichweiten-Vorteils den man auf 70 cm hätte:
Das 70-cm-Band hat mehr als die fünffache Wellenlänge des 13-cm-Bandes. Bei 23 cm ist das nur noch ein Verhältnis von 1:2.
Eines meiner Themen taucht dort nicht auf: Ein TCP/IP-Stack, der den Internetprotokollen einen wesentlichen Teil ihrer
Geschwätzigkeit abgewöhnt. Siehe die folgende Stoffsammlung.
Stoffsammlung HAMNET-Benutzerzugang auf 70 cm
Erst mal ein Geständnis: Im Lauf der letzten 50 Jahre habe ich schon viel Technik kommen und gehen sehen und mich auch
beruflich mit so Manchem intensiver auseiandergesetzt. Mir ist aber bewusst, dass meine Kenntnisse eher breit denn tief sind.
Aber genau das gibt mir so manchen Überblick, den andere nicht haben. An einigen Stellen werden die Spezialisten meinen,
da rede ein Blinder von der Farbe. Kann sein. Egal.
Ein paar Definitionen sollte ich dem folgenden Text noch vorausschicken:
- Ich unterscheide hier genau zwischen der Datenrate in bit/s und der Symbolrate in Baud (Bd). Wenn man die
einzelnen Symbole etwas aussagekräftiger macht als einfach nur 0 und 1, kann man mit einem Symbol auch mehrere
Bits übertragen. Benutzt man gleichzeitig zwei Amplituden- und zwei Phasenstufen, dann kann ein Symbol 2 Bits übertagen.
Hat man einen entsprechend verzerrungsarmen Kanal, kann man auch mit vier Amplituden- und vier Phasenstufen (alle 90°)
arbeiten und so 4 Bits in einem Symbol übertragen. Mit meiner vorgeschlagenen Symbolrate von 10 kBd kommt man dann bereits
auf 40 kbit/s pro Träger. Bei 10 Trägern ist man dann bei 400 kBit/s. Die unten erwähnten Mehrträgersysteme benutzen
meist einen Trägerabstand der gleich der Symbolrate ist. Dann steht jeder Träger genau im ersten Nullpunkt der spektralen
Leistungsdichte der Nachbarträger. Bei Funkübertragung kann es sinnvoll sein, die Träger etwas weiter auseinander zu
rücken, damit Dopplereffekte weniger stören. So macht das beispielsweise DRM bei den etwas geringeren Datenraten.
- Bei der Datenrate rede ich von der physikalischen Datenrate auf der Funkschnittstelle. Die nutzbare Datenrate hat
damit nur begrenzt zu tun: Einerseits geht Kanalkapazität ab für Umschaltzeiten, Verwaltung, Fehlerkorrektur usw.
Andererseits lassen sich die Nutzdaten oft komprimieren oder an passender Stelle regenerieren. Die im Internet
gebräuchlichen Protokolle sind reichlich geschwätzig. Das hat dort seine Berechtigung, muss uns aber nur an der
Schnittstelle nach oben interessieren. Hauptsache, wir können z.B. einen Webbrowser über unseren Kanal mit dem
HAMNET oder dem Internet verbinden.
Wie so ein Spektrum aussieht, kann man sich mit einem SDR bei DRM-, DAB- oder DVB-T-Signalen ansehen – siehe rechts: Das ist ein Rechteck im
Frequenzbereich. Deshalb rede ich unten auch von 10 kBd und z.B. 12 Trägern: Vom untersten bis zum obersten Träger sind es dann
nur 120 kHz. Dazu kommen noch die Seitenbänder und Intermodulationsprodukte des Senders. Auch verlassen wir uns gewöhnlich
darauf, dass die Leistungsdichte in der Mitte des Kanals am größten ist und gegen die Kanalgrenzen langsam abnimmt –
das erleichtert die Selektion ganz erheblich und ermöglicht uns vergleichsweise problemlos das Nutzen von
25-kHz-Übertragungsparametern bei einem Kanalraster von 12,5 kHz. Man muss dann nur dafür sorgen, dass Relais auf
Nachbarkanälen einen gewissen Sicherheitsabstand einhalten. Langer Rede kurzer Sinn: Von den 200 kHz Bandbreite sollten wir
nicht viel mehr als 150 kHz aktiv nutzen.
- Digitale Übertragung mir Analogverhalten: Bei FreeDV [3] abgeguckt ist der Vorschlag, die bei
digitalen Nachrichtensystemen sehr scharfe Schwelle zwischen funktioniert fehlerfrei und geht garnicht
aufzuweichen, indem man einen Teil der Datenübertragung robuster macht als den Rest. Beispielsweise sind die neuen
digitalen Funkgeräte bei Einsatzkräften wie der Feuerwehr ausgesprochen unbeliebt, weil die Verbindung an einer bestimmten
Schwelle ohne Vorwarnung weg ist. Anschließend dauert es dann relativ lange, bis sich die Funkgeräte wieder ins Netz
eingebucht haben.
Natürlich lassen sich dann im Grenzbereich nur sehr wenige Daten übertragen. Aber das sollte reichen, die Synchronisation
aufrecht zu erhalten und vielleicht ein paar grundlegende Dienste am Laufen zu halten. Das wäre sicher hilfreich für
Portabel- und Mobilbetrieb.
- Einsatz eines Mehrträger-Systems [6]: In analogen Systemen benutzt man meist einen Träger,
den man dann irgendwie moduliert. Ob man den Träger selber aussendet, ist dann wieder eine ganz andere Frage –
siehe SSB. Seit es DSPs gibt, macht man das gerne anders: Man teilt den Datenstrom in mehrere parallele Ströme auf und
überträgt jeden mit einem eigenen Kanal (Träger, Modulator usw.). Sinn der Übung ist ganz wesentlich, Laufzeitverzerrungen
zu verhindern. Auf Kurzwelle kann man maximal vielleicht 300 Bd übertragen, was bei FSK und Packet Radio auf ziemlich
labile 300 bit/s rauskam. RTTY arbeitet mit 45 Bd und FreeDV mit 50 Bd.
Man muss es nicht unbedingt so weit treiben wie das
bei DAB [4] oder DVB-T mit mehreren 1000 Tägern getan wird. Dort ist eine Schrittgeschwindigkeit
von 1 kBd Voraussetzung für den Betrieb von Gleichkanal-Netzen: Die einzelnen Sender verbreiten völlig identische Signale
und sind im µs-Bereich synchronisiert. Bei einem definierten Senderabstand von etwa 60 km addieren sich so die Signale
verschiedener empfangener Sender und stören sich nicht.
Gleichkanalannetze werden wir wohl nicht betreiben, denn das ist nur für Rundfunk wirklich sinnvoll. Aber wenn wir die
Schittgeschwindigkeit so klein machen, dass irgendwelche Reflexionen auf dem Übertragungsweg nicht mehr zu
Inter-Symbol-Interferrenz führen, wird der Empfang wesentlich stabiler. 10 kBaud und 12 Träger oder so sollten auch mit
Amateurmitteln in 200 kHz Kanalbandbreite unterzubringen sein. Beispielsweise könnte man zwei Träger für Signalisierungs-
und Synchronisierzwecke nutzen und den Rest zur Datenübertragung. Auch zwingt einen niemand, alle Träger gleichzeitig
mit der gleichen Modulationsmethode zu betreiben.
- Weniger Datenströne auf der Funkstrecke zu den Nutzern als Nutzer. Also ich mich 1994 erstmals mit der Internettechnik
beschäftigte, kam die mir schrecklich geschwätzig vor: Bis dahin kannte ich nur die FIDOnet-Technik [5]
die nach allen Regeln der Kunst versuchte, möglicht wenige Bits und die mit möglichst wenigen Handshakesequenzen zu
übertragen. Beispielsweise wurden Mails von Station A zu Station B so übertragen, dass erst die Station A ein Archiv packte
und dieses Archiv als eine Datei zur Station B schickte. Diese Archive nutzten einen Vorgänger des ZIP-Formats. Statt 100
Mails / 200 kB Datenvolumen mit 100 Handshake-Sequenzen zu übertragen, wurde eine Datei mit vielleicht 100 kB mit einem
Handshake übertragen. Die Datei packte dann Station B nach Ende der Telefonverbindung aus und routete die Mails dann
passend weiter.
Mit solch einer Methode ließe sich unser schmaler Übertragungskanal optimal nutzen: Der Benutzerzugang verschickt höchstens
dann kleine Datenpakete, wenn er den Kanal sowieso nicht voll kriegt. Beim Empfänger ist das Datenvolumen klein genug,
dass er jedes Datenpaket empfangen, auspacken und sich seine Daten herauspicken kann. Empfangsbestätigungen brauchen ja nur
die Stationen zu versenden, die den Empfang zu bestätigen haben. Durch das Komprimieren des Datenstroms mehrerer Nutzer
lassen sich große Datenpakete mit wenigen Handshakes auf der Funkstrecke mit schneller Übertragung kleiner Pakete für
unterschiedliche Nutzer kombinieren.
Mit meiner Formulierung am Anfang will ich die Möglichkeit offenhalten, dass parallel z.B. ein schneller und ein langsamer
Datenstrom unterwegs sein können. Ob die sich jetzt die einzelnen Träger teilen oder der Benutzerzugang abwechselnd
schnell und langsam sendet, ist wieder eine ganz andere Frage. Aber wer eben nur 100 kbit/s nutzen kann, kann aus einem
500 kbit/s-Datenstrom keine Informationen herausziehen.
- Aufteilen des Rückkanals auf mehrere Teilnehmer. Bei WLAN nutzen zwei Kommunikationspartner jeweils den gesamten
Übertragungskanal. Ein WLAN verlässt sich ganz wesentlich aber auch darauf, dass möglichst viele der Teilnehmer sich
gegenseitig hören können und Kollisionen deshalb relativ selten sind. Das ist bei uns ganz anders: Kaum ein Nutzer des
Benutzerzugangs wird auch nur einen anderen Nutzer hören können. Also brauchen wir einen Mechanismus, wie möglichst wenige
Datenströme von den Nutzer kollidieren. Dazu könnte der Accesspoint den einzelnen Clients einzelne konkrete Zeitschlitze
zuordnen.
Wenn der Accesspoint einem Client ein Datenpaket zuschickt, kann er ihm gleichzeitig einen Zeitschlitz für die Antwort
zuteilen – beispielsweise 5,3 ms, nachdem der Accesspoint angefangen hat zu senden, für 2 ms. Dem nächsten Client
kann er seinen Zeitschlitz dann z.B. 2,2 ms später zuteilen. Bei einer Symbolrate von 10 kBd könnte der Accesspoint
die Zuteilung im 200-µs-Raster machen. Wenn der Accesspoint auch noch die Phasenverschiebung der Symbolrate vorgeben
kann, kommen beim Accesspoint die Datenpakete alle in einem einheitlichen Raster an. Mit all solchen Maßnahmen
kann man die Nutzung des Kannals optimieren.
- Vorkehrungen für Duplex- und Simplexbetrieb treffen. Wir haben auf 70 cm nur zwei 200-kHz-Kanäle für solche
automatischen Stationen. Die Teilnehmer brauchen sowieso Transceiver, die innerhalb einer ms oder so zwischen Senden und
Empfangen umschalten können. Von daher sollte es keinen zusätzlichen Aufwand bedeuten, den Datenverkehr im Zeitmultiplex
abzuwickeln. Nur wenn der Datenverkehr in einem Siedlungszentrum entsprechend groß ist, sollte man Frequenzmultiplex
nutzen. Das liefert dann mehr als die doppelte Übertragungskapazität, weil die Umschalt- und Wartezeiten für die
Laufzeit der Funksignale wegfallen. Es dürfte schon so einiger Überzeugungsarbeit bei der BNetzA bedürfen, dass sie
die Schutzabstände zwischen zwei HAMNET-Zugängen auf dem gleichen Kanal viel kürzer ansetzt als sonst üblich: Wer zwischen
zwei Benutzerzugängen liegt und mit seiner Rundstrahlantenne bei beiden ankommt, muss ggf. von den beteiligen
Benutzerzugängen ausgeschlossen werden. Soll er sich für einen der Zugänge entscheiden und den mit einer Richtantenne
ansteuern.
- Multicast-Fähigkeiten einbauen. Unter Multicast ist im Internet die Fähigkeit bekannt, nicht nur
Punkt-zu-Punkt-Verbindungen aufbauen zu können, sondern mehrere Empfänger mit einem Datenstrom versorgen zu können.
Das passiert in der Regel dadurch, dass man mit UDP-Paketen und ggf. Verteiler-Servern arbeitet und auf die
Quittungshandshakes verzichtet - kommt es halt gelegentlich mal zu kurzen Unterbrechungen. Typischer Anwendungsfall:
Rundfunk, Videostreaming usw. Vermutlich würde es Bandbreite sparen, wenn man solche Dienste unmittelbar auf der hier
angedachten Protokollebene berücksichtigt.
Als Anwendungsfälle denke ich da vor allem Sprachdienste, die mit solchen Unterbrechungen leben können:
- Am Sonntag Vormittag verlängert ein OM die Ortsrunde ins HAMNET, weil sich sonst nicht alle gegenseitig hören können.
- Der Rundspruch kommt als Stream. So kann man nicht mehr vergessen, das Funkgerät wieder einzuschalten, nachdem
mal wieder ein paar Idioten das Relais über ewige Zeiten belagert hatten.
- Im Notfallbetrieb gibt es zahlreiche Möglichkeiten, von der Alarmierung bis zu Durchsagen an alle.
Siehe auch meine Rechercheergebnisse!
Literatur
- [1] HackRF-Website: https://greatscottgadgets.com/hackrf/
- [2] Projekt-Website der Uni-Paderborn: http://www.ccs-labs.org/projects/wime/
- [3] FreeDV: https://freedv.org/tiki-index.php
- [4] ETSI-Normen für DAB: https://www.worlddab.org/technology-rollout/standards/technical-specifications-list
- [5] FIDOnet Technical Standards: http://ftsc.org/docs/
- [6] Rudpolph, Dietmar: OFDM, Vielträgermodulation
- http://www.diru-beze.de/funksysteme/skripte/DiFuSy/DiFuSy_OFDM_WS0405.pdf
- [7] Weiping Sun; Munhwan Choi; Sunghyun Choi: IEEE 802.11ah:
A Long Range 802.11 WLAN at Sub 1 GHz
- [8] Eckard, Holger - DF2FQ: 70-cm-Endstufen - nicht nur für digitale Sprachsignale
- Funkamateur 4/2016, S. 342ff
- [9] ARDOP, https://www.winlink.org/content/ardop_overview
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