Bislang ging ich davon aus, es gebe nur Raumwelle mit Reflexion an der Ionosphäre und Bodenwelle –
bis zum Horizont und dann? Wir werden sehen, dass es auf 10m diverse Mechanismen gibt, mit denen wir um
die Ecke funken können.
Beugung am Boden entlang
Beugungseffekte sind bei allen Wellen zu beobachten – auch bei Wasserwellen. Dieser Effekt ist um so
deutlicher, je schärfer die beugenden Kanten im Vergleich zur Wellenlänge sind. Anders ausgedrückt:
Die Beugungseffekte an der Erdoberfläche entlang sind um so deutlicher, je niedriger die Sendefrequenz ist –
siehe Mittelwelle und auch noch 160m. Anfang des 20. Jahrhunderts war man der Meinung, man könne nur etwa 1000
Wellenlängen weit funken. Entsprechend bauten die Kolonialmächte riesige Langwellenanlagen für 20 km
Wellenlänge und mehr.
Diese Beugungseffekte haben einen Vorteil: Sie sind letztlich nur von der Bodenstruktur abhängig, ermöglichen
also sehr stabile Übertragungsverhältnisse. Genau so klar ist auch, dass diese Ausbreitungsart mit hohen
Streckendämpfungen zu kämpfen hat.
Genau hier tut also z.B. die Begrenzung der Leistungsaufnahme auf den Fernmeldetürmen
ausgesprochen weh. 50 W Strahlungsleistung von einem optimalen Standort aus sind auf 10m gut für
100...150 km Reichweite, wenn der Empfänger eine kurze Antenne benutzt.
Beispiele:
- DL0IGI ist noch in den Großräumen Nürnberg und Stuttgart mit der Mobilstation aufzunehmen.
- Von DL0IGI Richtung Bodensee ist schon nach rund 100 km erst mal Schluss, weil dann das Gelände
stark vom Allgäu zum Bodensee abfällt. Es ist aber durchaus wahrscheinlich, dass DL0IGI auf den Höhen
nördlich des Bodensees noch aufgenommen werden kann.
- Ähnliche Entfernungen konnte ich beobachten beim 10m-Relais DF0HHH in Hamburg: Auf einem Höhenzug
südwestlich des Steinhuder Meers in JO42PJ kann man das Relais lesbar aufnehmen. Auch das sind rund
130 km. Natürlich braucht ein FM-Signal mehr Bandbreite als ein CW-Signal. Dafür stand in diesem
Fall der schon erwähnte Antennengewinn durch abfallendes Gelände zur Verfügung.
Bis weit in den Kurzwellenbereich hinein haben vertikal polarisierte Wellen geringere Bodenwellen-Verluste als
horizontal polarisierte. Deswegen arbeiten Mittelwellensender, von wenigen
Ausnahmen abgesehen, vertikal polarisiert. Im
Gegensatz dazu benutzt man im VHF/UHF-Bereich vorzugsweise horizontal polarisierte Systeme, weil dort die
Dämpfung geringer ist. Am oberen Ende des Kurzwellenbereichs scheinen die Dämpfungsunterschiede zwischen
vertikaler und horizontaler Polarisation nicht weiter ausgeprägt zu sein. Entscheidend ist im
Bodenwellenbetrieb, dass beide Stationen die gleiche Polarisationsebene benutzen. Bei Baken ist das häufig,
und bei Relais so gut wie immer, vertikal.
Wetterphänomene
Speziell um VHF-Bereich sind spektakuläre Überreichweiten durch Inversionswetterlagen bekannt.
Ganz offensichtlich gbt es solche Effekte auch noch unterhalb von 6m. Meine parallelen Beobachtungen von 2m (
Zugspitzrelais DB0ZU) und 10m (DL0IGI, 50 km weiter nördlich, aber 1000 m tiefer) zeigen hier eine
enge Parallelität: Wenn DB0ZU auf der A6 zwischen Nünberg und Heilbronn deutlich angehoben ist, zeigt sich
dieser Effekt in aller Regel auch bei DL0IGI. Wirklich ausgeprägte Effekte konnte ich aber noch nicht
beobachten: Während meiner Beoachtungen traten noch keine ausgeprägten Inversionen auf.
Troposcatter
Auf 2m kann jede besser ausgerüstete Station (freier Standort, Gruppenantenne...) recht zuverlässig
500 ... 800 km überbrücken, indem sie Streueffekte an Inhomogenitäten in der Atmosphäre nutzt.
Das funktioniert auch recht verlässig über die Alpen hinweg zwischen Süddeutschland und Oberitalien.
Wie [1] zeigt, lässt sich dieser Effekt schon auf 6m kaum noch nutzen –
bei der deutschen Leistungsbegrenzung auf 6m sowieso nicht. Wer Versuche mit Troposcatter auf 10m
machen will, sollte sich als erstes ein QTH für eine Antennenfarm suchen. Unter 20 dB Antennengewinn auf
beiden Seiten mit wenigen Grad Erhebungswinkel geht da wohl nichts. Zur Einstimmung eignet sich
die Bildergalerie von DF3KV.
Literatur
- [1] Steyer, Martin (DK7ZB):
Zauberhaftes 6-m-Band (3): DX und die Physik der Ionosphäre
- In: Funkamateur 5/2000, S. 531ff
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