Fast jeder hat einen Internetzugang. Viele benutzen im Dienst ein Intranet. Und was macht der Amateurfunk als das
Kommunikationshobby schlechthin? Er baut sein eigenes Intranet auf. Ein wesentlicher Teil davon heißt HAMNET und ist
mittlerweile für viele Funkamateure zugänglich – per Funk oder notfalls via Internet. Dieser
Beitrag gibt einen ersten Einblick.
Vor etwa 10 Jahren gingen die ersten Punkt-zu-Punkt-Verbindungen (Linkstrecken) in Betrieb. Die ersten Versuche gab es
in Österreich und seit etwa 2009 auch in Deutschland. Die Macher waren damals so mit internen Themen wie Standortproblemen,
Frequenzzuteilungen, Technik und Standards beschäftigt, dass sie keine Benutzerzugänge vorsahen. So wird auch verständlich,
warum es in deutschen Amateurfunkzeitschriften seit seit einem Themenschwerpunkt in der cqDL 1/2010 [1]
fast ausschließlich kleine Notizen gab im Stil Linkstrecke von DB0ABC nach DB0XYZ in Betrieb genommen. Oder es gab
Projektbeschreibungen, in denen das HAMNET als Infrastruktur am Rande erwähnt wurde [2],
[3].
Mittlerweile gibt es in diversen Ballungszentren und auf manchen Bergen Benutzerzugänge – meist im
13-cm-Band. Wie lassen sich diese nutzen und was kann man damit anfangen? Warum sollte man überhaupt neben einem normalen
Internet-Zugang noch einen HAMNET-Zugang aufbauen?
Von Packet-Radio zu HAMNET
Traditionell denken Funkamateure in Frequenzen und Kanälen. Auf einem Kanal könnem gleichzeitig viele hören, aner nur
einer kann jeweils reden. In Fonieverbindungen mit mehreren Teilnehmern geben wir das Mikrofon weiter oder
hängen es in die Luft. In Datennetzen ist das in aller Regel anders: der Datenstrom wird in kurze Zeichenketten
aufgeteilt, die einzeln eingepackt und adressiert werden. Der Empfänger bringt die Pakete erst wieder in die richtige
Reihenfolge – während der Übertragung kann schon mal ein Paket ein anderes überholen. Dann werden die Pakete
ausgepackt und der Datenstrom wieder hergestellt.
Sinn der Übung ist, über das Datennetz viele Verbindungen parallel herstellen zu können. Alle Kommunikationsrechner
auf dem Weg sehen sich die Empfängeradresse jedes Paketes an und entscheiden entsprechend ihrer Informationen über den Zustand
des Netzes, auf welchem Weg sie das Paket weiterschicken. Der Empfänger schickt Quittungen für empfangene Pakete zurück
oder fordert verlorene Pakete nochmals beim Absender an.
Das erste paketorientierte Übertragungsverfahren im Amateurfunk war Packet-Radio. In der Zeit vor dem Internet war es eine
faszinierende Möglichkeit, auf Rechner zuzugreifen oder, im heutigen Sprachgebrauch, zu chatten. Zu Zeiten von BTX,
horrenden Telefonkosten und langsamen Modems waren 1200 bit/s kein Problem. Ich erinnere mich noch an meine Faszination,
als ein OM einen Koffer zum OV-Abend mitbrachte: Zwei C64, ein kleiner Röhrenmonitor, ein Primitivmodem [7],
ein quarzgesteuertes Funkgerät und ein Bleigel-Akku waren fast alles, was er zur portablen, digitalen, drahtlosen
Kommunikation brauchte.
Selbst Packet-Radio-Linkstrecken liefen selten schneller als mit 19 200 bits/s. Dann kam das Internet mit Übertragungsraten von
diversen Mbit/s. Das Ergebnis ist bekannt: Packet-Radio wird fast nur noch für APRS genutzt.
Es liegt nahe, dass sich auch Funkamateure nach einem Hochfrequenz-Netzwerk sehnen, mit dem sich nicht nur Texte und
winzige Grafiken oder Programmchen, sondern auch Multimedia-Inhalte wie vom Internet her gewohnt übertragen lassen.
Genau das ist HAMNET: Highspeed Amateur Radio Multimedia Network.
Hardware gut verfügbar
Mittlerweile ist WLAN allgegenwärtig: Kaum ein Internetzugang verzichtet darauf. Notebooks und Tablets sind ohne WLAN
nicht vorstellbar. WLAN-Komponenten benutzen meist den Frequenzbereich 2,400 GHz bis 2,4835 GHz. Das 13-cm-Amateurfunkband liegt
mit 2,320 GHz bis 2,450 GHz unmittelbar darunter. Rein technisch wäre es also kein Problem, mit WLAN-Komponenten im
Amateurfunkbereich Betrieb zu machen.
Zum Glück ist diese Möglichkeit unterhalb von 2,40 GHz für die Allgemeinheit versperrt, denn sonst würden zahllose WLAN-Nutzer
aus dem überfüllten ISM-Bereich auf unsere Frequenzen ausweichen. Wer in einem dicht besiedelten Gebiet mit Smartphone und einer
App wie Wifi Analyzer in das 2,4-GHz-Band hinein sieht, findet schnell 20 oder 30 WLANs auf den 13 Kanälen. Bedenkt man
außerdem, dass sich die Kanäle alle überlappen und es nur drei wirklich getrennte Kanäle gibt, dann wird das Gedränge
unübersehbar. Das verhindert zwar nicht die Nutzung der diversen WLANs, aber schränkt deren Reichweite und Geschwindigkeit ein.
Nur wenige Hersteller bieten WLAN-Komponenten an, die sich bis in den Amateurfunkbereich hinein abstimmen lassen
[8], [9] und in dieser Form keine Zulassung für normale WLAN-Anwendungen haben.
Mit dieser Technik lässt sich ein HAMNET-Benutzerzugang für rund 100 € verwirklichen.
Ja: HAMNET benutzt weitgehend die gleichen Normen wie WLAN. WLAN kann gewöhnlich nur wenige Meter überbrücken. Wir
Funkamateure überwinden mit dieser Technik routinemäßig 20 km oder 30 km. Das gelingt nicht nur, weil wir deutlich mehr
Strahlungsleistung produzieren dürfen als die 100 mW der normalen WLAN-Technik. Wir suchen nach Funkfeldern ohne Hindernisse
– bereits Büsche können ein Problem sein. Wir benutzen Richtantennen, deren Gewinn auch dem Empfänger zugutekommt.
Die Laufzeiten über ein Funkfeld bremsen die Übertragung, weil sich die Funkkomponenten gegenseitig die empfangenen
Pakete quittieren und dazu ständig Pingpong spielen. Ein 100 km langes Funkfeld zwischen Zugspitze und Olympiaturm
in München wäre daher grundsätzlich möglich, aber ziemlich langsam.
Um das zu erläutern: Bei 10 Mbit/s dauert das Versenden von einem brutto 10000 bit langen Datenpaket 1 ms. Dieses Paket braucht
dann für 100 km 0,3 ms reine Funk-Übertragungszeit. Die Quittung dafür braucht dann auch wieder 0,3 ms Übertragungszeit.
Viele Datenpakete sind viel kleiner und 10 Mbit/s ist für eine Linkstrecke sehr langsam. Es spielen noch mehr Faktoren hinein
– beispielsweise muss der Empfänger im Prinzip nur jedes vierte Paket zu bestätigen. Aber entsprechend lange dauert es
dann, bis ein verlorenes Datenpaket wiederholt werden kann. Für einen Benutzerzugang ist das OK, für eine Linkstrecke nicht.
HAMNET und Internet
Schon in der Frühzeit des Internets waren Funkamateure an der Planung beteiligt. Als damals die Adressen (IP-Nummern)
vergeben wurden, bekam der Amateurfunkdienst deshalb einen eigenen Adressblock (44.x.x.x) zugewiesen. Der steht uns immer
noch zur Verfügung, auch wenn die IP-Adressen im Internet mittlerweile fast alle vergeben sind. Beispielsweise sind alle den
USA zugewiesenen IP-Adressen vergeben. Nutzer müssen also entweder auf die Rückgabe von herkömmlichen IP-Adressen warten
oder auf die neuen Adresse nach IP V6 ausweichen. Das bedeutet in recht weiten Grenzen neue Technik, denn bei IP V6 wurden
nicht einfach die Adressfelder von 32 Byte auf 64 Byte aufgeblasen. Im HAMNET brauchen wir uns darüber aber noch lange
keine Gedanken zu machen: Nur ein kleiner Teil der vorhandenen Adresse ist überhaupt vergeben.
Technisch wäre es kein grundsätzliches Problem, von einem beliebigen Internetzugang aus beliebige Amateurfunk-Infrastruktur
mit eigener IP-Adresse anzusprechen. Allerdings gibt es an den Übergängen Sperren (Firewalls), die nur amateurfunkinternen
Verkehr durchlassen. Typisch nutzt man dafür Virtual Private Networks (VPN). Mit der gleichen Technik greifen beispielsweise
Außendienstmitarbeiter von ihrem Notebook/Tablet aus auf das Netzwerk ihres Arbeitgebers (Intranet) zu.
Bislang besteht das HAMNET aus einzelnen Funknetzen, die mit VPN-Strecken über das Internet verbunden sind. Wenn ich
beispielsweise auf das Amateurfunk-Wiki bei DB0FHN in Nürnberg zugreifen will, schicke ich meine Daten auf 2332 MHz
zum Olympiaturm in München. Im 6-cm-Band geht es dann mit einem Zwischenstopp bei DB0DAH nach Augsburg. DB0ZKA schickt meine
Daten über eine Internet-Strecke zu DB0VOX auf dem Fernmeldeturm in Nürnberg. Den letzten Sprung machen meine Daten wieder im
6-cm-Band zu DB0FHN.
Warum überhaupt HAMNET?
Für seine Macher ist das HAMNET eine amateurfunktypische Herausforderung: Es gibt neue technische Möglichkeiten,
die es auszuprobieren gilt. Erste Anwendungen gibt es ja, beispielsweise die Anbindung und Vernetzung von Relais wie bei
Hansanet [10].
Für die Fernwartung analoger Relais bietet sich HAMNET geradezu an als einfacher, leistungsfähiger Zugang auf einem weit
abgelegenen Frequenzbereich. Auch das Einspeisen von APRS-Daten ins Netz lässt sich mit HAMNET-Strecken verwirklichen.
In vielen dieser Fälle bietet HAMNET eindeutige Vorteile gegenüber herkömmlichen Möglichkeiten: Vor Ort steht mitunter kein
drahtgebundener Internetzugang zur Verfügung. Dort kann beispielsweise ein Smartphone via Mobiltelefonnetz auf das Internet
zugreifen, aber in der umgekehrten Richtung sind nur Antworten möglich. Ein Wartungszugang zu einer Relaisfunkstelle oder
Funkbetrieb über eine Remote-Station lässt sich so also nicht ohne Weiteres verwirklichen – HAMNET hat hier die Nase
vorn.
Der normale OM, der das HAMNET nutzen will, hat nur die HF-technische Herausforderung zu meistern, eine Verbindung
zum nächstgelegenen Zugriffspunkt herzustellen – sofern er im Einzugsbereich eines Zugriffspunktes wohnt. Sobald die
Linkstrecke zum nächsten Benutzerzugang einmal steht, ist das HAMNET aus Sicht dieser Anwender vor allem ein Medium, das
nach Einsatzzwecken sucht.
Hier sind amateurfunkspezifische Dienste gefragt. So findet man einige Websites, die schon diverse Jahre existieren und
bislang nur per Packet-Radio zugänglich waren. Eine zusätzliche Schwelle: Wer Dienste im HAMNET anbieten will, muss einen
Server betreiben, im Amateurfunk-Sprachgebrauch also eine automatische Station betreiben. Diese Schwelle ist jedoch auf
den zweiten Blick gar nicht so hoch: Ein Webserver, eine Webcam oder ein SDR-Empfänger lassen sich gut an einem bereits
existierenden HAMNET-Knoten betreiben. Am Knoten ändert sich dadurch auf der HF-Seite nichts, das löst also keinen
Schriftverkehr mit der BNetzA aus.
Chancen des HAMNET
Die Vorteile für die Infrastruktur habe ich bereits weiter oben beschrieben. Eine Breitenwirkung wird das HAMNET aber nur
gewinnen, wenn es gegenüber dem normalen Internet spezifische Vorteile bietet. Da ist einiges denkbar:
- Wer schon einmal eine fernbedienbare (Remote-) Funkstation genutzt hat, kennt deren größten Nachteil: Die Laufzeiten
über das Internet. Von einem ADSL-Anschluss aus erreicht man Antwortzeiten von gut angebundenen, nahen Servern
um 50 ms, aber zu einem anderen ADSLAnschluss in der Klubstation ist es deutlich mehr. Über ein Mobiltelefonnetz,
auch UMTS, ist man schnell bei 500 ms und mehr. Dazu kommen weitere Effekte wie das vorn erwähnte Pingpong, die sich
leicht zu Laufzeiten von 1 s und mehr addieren.
Greift man dagegen über eine oder zwei HAMNET-Zwischenstationen auf eine fernbedienbare Station zu, können die
Verzögerungen um eine Größenordnung kürzer sein.
- Manche Sendeart, beispielsweise D-ATV, erfordert sendeseitig viel mehr Aufwand als empfangsseitig. Schickt man sein
Signal dagegen per HAMNET zum D-ATV Relais, bedarf es nur noch einer Webcam und etwas Software. Der Empfang des
D-ATV-Relais über eine entsprechend ausgerichtete Satellitenschüssel samt modifiziertem LNB ist vergleichsweise trivial.
Oder man benutzt gleich einen Videoserver, auf den die Teilnehmer über das HAMNET zugreifen.
- Webserver im HAMNET sind nur für Funkamateure zugänglich. Wartungsintensive Rechteverwaltung für jeden Nutzer erübrigt sich.
Kaum jemand wird sich heutzutage eine über das Internet frei zugängliche Webcam ins Shack stellen. Im
Amateurfunk-Intranet ist die Schwelle für solche und ähnliche Dinge deutlich niedriger.
- Ganz hervorragend eignet sich HAMNET für den Not- und Katastrophenfunk: HAMNET-Infrastruktur braucht nur wenig Energie,
ist also gut mit Batterien und Solarzellen zu betreiben. Vergleichbare Bandbreiten können andere Betriebsarten nicht bieten.
Aus technischer Sicht könnte der Einsatzleiter sein Notebook einfach per Netzwerkkabel an einen HAMNET-Zugang anschließen
und das HAMNET als Wurmloch zur Einsatzzentrale nutzen. Der Rest, beispielsweise der verschlüsselte Datenverkehr
des Einsatzleiters, sind dann administrative Fragen. Davon hat das HAMNET schon viele aufgeworfen.
- Nicht zuletzt war es noch nie so leicht und billig, im Gigahertz-Bereich QRV zu werden.
Und weiter?
Inhaber der Amateurfunk-Zeugnisklasse A, die im Einzugsbereich eines HAMNETBenutzerzugangs leben, sollten ihre ersten
Informationen bei den Verantwortlichen des Zugangs einholen.
Im Internet findet man viele Informationen, die allerdings häufig von Eingeweihten für Eingeweihte geschrieben wurden.
Einen herzlichen Dank an Thomas Emig, DL7TOM, für die technische Unterstützung zu diesem Beitrag.
Dieser Text erschien zunächst in der Zeitschrift "Funkamateur" Heft 7/2015, S. 726ff.
Literatur
- [1] Entsfellner, C., DL3MBG: Erste HAMNET- Linkstrecken im Distrikt Oberbayern
- in: cqDL 1/2010, S. 10-11
(Link nur für DARC-Mitglieder nutzbar.)
- [2] Ebner, T., IN3DOV: Vom Relais im Schnee zum Allstar-Link Südtirol.
- In: FUNKAMATEUR 11/2014, S. 1168-1169 und S. 1145
- [3] Delmonego, T., IW3AMQ: Allstar-Link-Verbund Link Südtirol.
- In: FUNKAMATEUR 1/2015, S. 34-36
- [4] Bundesnetzagentur: Frequenzplan gemäß § 54 TKG über die Aufteilung des Frequenzbereichs
von 9 kHz bis 275 GHz, Stand Januar 2014, S. 341 ff.
- In: http://www.bundesnetzagentur.de -> Telekommunikation
-> Unternehmen/Institutionen -> Frequenzen -> Grundlagen -> Frequenzplan
- [5] Referat VHF/UHF/SHF des DARC e. V.: Bandplan 13 cm, 2320 - 2450 MHz, Stand 11/2011
- http://www.darc.de/referate/vus -> Bandpläne ->
Bandpläne als PDF-Datei
- [6] IARU: IARU Region 1 VHF Manager’s Handbook, Version 7.00, Genf 2015; Chapter 4.7, S. 47
- [7] Röthig, G.: Einfaches
1200-Baud-Packet-Radio-Modem
- [8] Sohn, P., DD9PS: Lässt sich WLAN-Hardware legal im Amateurfunk nutzen?
- In: FUNKAMATEUR 6/2007, S. 600-602
- [9] Sohn, P., DD9PS: WLAN als Amateurfunkapplikation
- in: FUNKAMATEUR 12/2009, S. 1275-1277
- [10] N. N.: Was ist HansaLink?
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