Koaxialkabel sind heute der universelle Kabeltyp für Hochfrequenzanwendungen. Es gibt sie in einer unübersehbaren Auswahl,
von wenigen Zehntel mm Durchmesser etwa in WLAN-Geräten über armdicke Varianten an Mobilfunk-Masten bis zu koaxialen
Drahtstrukturen an Hochleistungssendern für LW bis KW. Bis in die 1930er Jahre hinein waren sie aber exotische
Gedankenexperimente.
Im ARRL-Handbuch von 1937 [1] (siehe rechts) taucht eine konzentrische Leitung erstmals in meiner
Amateurfunk-Literatur auf. Die Motivation war aber nur, dass man einen gestreckten Dipol mit einer Leitung angepasster
Impedanz speisen wollte. Die damals üblichen Zweidrahtleitungen sind alle viel hochohmiger.
Der Artikel weist später noch darauf hin, dass für bestimmte Paarungen von Innenleiter- und Rohrdurchmesser keramische
Abstandshalter kommerziell erhältlich seien. Eine praxisnahe Lösung war das sicher nicht, denn weder gab es entsprechende
Stecker noch kam man mit den beschriebenen Rohren irgendwie um die Kurve.
Im deutschsprachigen Raum lief die Entwicklung wohl anders: Für die Fernsehübertragungen anlässlich der Olympiade 1936
in Berlin brauchte man plötzlich breitbandige Übertragungskabel [2]. Die Videobandbreite damals
war zwar nur 500 kHz, weshalb man die Sendungen auch auf Kurzwelle verbreiten konnte. Aber diese Signale konnte man nur
über Trägerfrequenzsysteme übertragen: Der niedrige Wellenwiderstand, den das ARRL-Handbuch haben wollte, war hier arg
hinderlich: Ohne Impedanztransformation bekommt man Koaxkabel und Röhrentechnik nicht unter einen Hut. Man verwendete
eine Trägerfrequenz von 600 kHz und übertrug das untere Seitenband.
Technologietreiber Telefon
Die theoretischen Grundlagen für die Leitungstechnik gab es damals schon lange: Als es noch keine Verstärkerröhren gab,
konnte man die per Telefon überbrückbare Entfernung nur mit möglichst dämpfungsarmen Leitungen erhöhen. So tauschte man
Reichweite gegen Bandbreite, indem man die Leitungen bespulte. Diese Technik klingt bis heute im Amateurfunk-Sprech nach: QRX, 600 Ohm!.
Als es dann Verstärkerröhren gab wurde schnell klar, dass ein Teilnehmer pro Verstärker und Fernleitung doch ziemlich
unwirtschaftlich war. So wurden in den USA 1933 1360 km mit einem Trägerfrequenzsystem überbrückt: Pro Richtung eine nicht
bespulte Doppelader, jeweils alle 40 km ein Verstärker, 9 Kanäle in Einseitenbandtechnik im Bereich 4...48 kHz.
[3].
Doppelader meint hier übrigens zwei benachbarte blanke Drähte auf einem Telegraphenmasten.
Mancher erinnert sich vielleicht noch an die Rechen von Keramikisolatioren, wo pro Ebene vier Doppeladern aufgehängt
waren und 20 Sprechkanäle fünf Ebenen erforderten. Es gibt wohl bis heute einige wenige solcher Leitungen, die vermutlich für
Vergleichsmessungen erhalten werden.
Für den breiten Einsatz von Trägerfrequenzsystemen sind solche Freileitungen allerdings nicht geeignet, weil die mögliche
Kanalzahl ziemlich klein ist und das Übersprechen von der einen Doppelader auf die andere zu groß wird. Selbst wenn man die
anderen Gespräche nicht verstehen kann: Zumindest leidet der Störabstand. Mit moderner Technik und auf kurzen Strecken bekommt
man dieses Problem heute in den Griff, wie jeder Internetzugang per ADSL zeigt. Allerdings kommt die Digitaltechnik mit
bedeutend geringeren Störabständen aus als früher die Analogtechnik.
So kam man bald auf die Idee, koaxiale Kabelsysteme zu bauen. Mitte der 1930er Jahre experimentierte man hier auf vielen
Gebieten – vom Anpassen herkömmlicher Kabelfertigung für den neuen Kabeltyp bis zur Suche nach den besten Dielektrika.
Polyethylen taucht in den damaligen Listen nicht auf, weder auf Basis von Kohlenstoff noch von Fluor; die erste industrielle
Polyethylen-Synthese gelang 1933 und PTFE (Teflon) wurde erst 1938 erfunden. Lediglich Polystyrol (Styroflex)
ist heute noch als Dielektrikum üblich, zumindest als Folie für Kondensatoren. So versuchte man sich an möglichst
luftigen Dielektrika, wie das Bild rechts aus [3] zeigt.
wird fortgesetzt
Literatur
- [1] Concentric Transmission Line
- In: The ARRL Radio Amateur's Handbook, 14th edition (1937), Seite 315f
- [2] Jorysz, Alfred: Hochfrequenzleitungen
- In Radio-Amateur. Radiotechnische Monatsschrift, XIV. Jahrgang, Folge 1, Jänner 1937, S. 4ff. Wien, 1937
- [3] Kleebinder, R.: Was sind und wozu dienen Breitbandkabel?
- In Radio-Amateur. Radiotechnische Monatsschrift, XIV. Jahrgang, Folge 4, April 1937, S. 187ff. Wien, 1937
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