Wenn man in Augsburg von der A8 nach Norden auf die B2 abfährt, fällt eine riesige, runde Antennenanlage auf.
Zugegeben: Die hat nichts mit Amateurfunk zu tun, aber mit Amateurfunk-Wissen kann man sie doch ganz deutlich enträtseln.
Viele Texte zu dieser Anlage zeugen von erschreckender Unkenntnis der Autoren und Journalisten. Letztere sind in Sachen
Technik aber sowieso meist heftig unterbelichtet und können noch nicht mal Leistung und Energie auseinander halten.
Entsprechend viel Schwachsinn liest man da selbst in Qualitätsblättern wie der SZ [1].
Wer mehr wissen will, sollte im Internet suchen mit Begriffen wie "AN/FLR-9", "elephant cage antenna" oder "Wullenweaver antenna".
Das geht bis zur offiziellen Bedienungsanleitung [2].
Ich werde hier nur die besten Quellen angeben. Sorry, dass ich diesen länglichen Artikel nicht illustriere: Ich habe keine eigenen
Bilder und mit obigen Suchbegriffen findet man genug davon. Ich halte mich in dieser Website an die Bestimmungen des Urheberrechts.
Die Geschichte
Wie so manches High-tech-Projekt des kalten Krieges begann es mit einer Entwicklung für das deutsche Militär im 2. Weltkrieg:
Unter dem Tarnnamen Wullenweber wurde eine Anlage in Dänemark (Hjörring) aufgebaut und zwei Deutschland,
in Frickingen (nördlich von Meersburg am Bodensee), und eine in Rendsburg (westlich von Kiel) [3].
Aus dem Aufbau der Anlage sind zwei Dinge offensichtlich:
- Hier geht es bestenfalls in zweiter Linie darum, Nachrichteninhalte zu erfassen. Das geht mit anderen Antennenbauformen
viel besser. Auch verhindert die Nähe einer Großstadt, dass man da wirklich das Gras wachsen hört. Das Problem
sieht schon ganz anders aus, wenn man das südliche Segment auf dem Konto tarnen und täuschen verbucht und die
wirklich wichtigen Arbeiten Richtung Norden und Osten laufen. Dort kann die Antenne den Störnebel aus der Großstadt
zu wesentlichen Teilen ausblenden.
- Bei den Dimensionen ist klar, dass es hier um Kurzwellensignale geht. Der meiste Verkehr für die hier betrachtete
Kommunikation lief wohl zwischen 2 und 10 MHz, entsprechend Wellenlängen von 130 m bis 30 m. Daraus ergeben sich
(sichtbare) Antennenlängen in der Größenordnung von 5-30 m.
Worum geht es dann? Auch das ist eigentlich offensichtlich: Mit solchen Anlagen kann man gleichzeitig und auf beliebig vielen
Frequenzen in alle Richtungen peilen. Diese Forderung wird verständlich wenn man bedenkt, dass die Gegenseite natürlich von
den Abhörbemühungen weiß und der Entdeckung mit möglichst kurzen Aussendungen entkommen will.
Aus den Standorten der deutschen Marine ergibt sich auch der Sinn der Anlage: Den Schiffsverkehr auf dem Atlantik zu
überwachen. Irgendwie musste das Oberkommando den U-Booten schließlich mitteilen, wo die Schiffskonvoys von den USA nach
Großbritannien unterwegs waren – der Nordatlantik ist groß. Die Konvoys konnten den Funkverkehr nicht völlig vermeiden.
Die Marine musste also innerhalb weniger Sekunden zu Messwerten für eine brauchbare Peilung kommen.
Im Internet findet man die offensichtlich immer wieder kolportierte Behauptung, die Marine habe diese Anlagen zur Kommunikation
mit den U-Booten genutzt. Das halte ich für falsch, denn diese Anlagen machen primär für Peilzwecke Sinn. Sendeseitig wären sie
sowieso unsinnig, dafür gibt es viel bessere Antennenformen. Empfangsseitig kann man darüber nachdenken, wenn der Sender extrem
schwach ist oder aus mehreren Richtungen gestört wird.
Das Ganze wurde im Krieg wesentlich vereinfacht durch die primitiven Geräte und die schlechte Ausbildung der meisten
amerikanischen Funker: Bis heute bekommt man auf jedem einschlägigen Flohmarkt entsprechende Funkgeräte und die Quarze,
mit denen die Arbeitsfrequenzen festgelegt wurden. Diese Quarze sind mit Kanalnummern oder Frequenzen beschriftet, die typisch
zwischen 3 und 10 MHz liegen.
Die Funker bekamen also die Anweisung: Stecke den Quarz X in die Frontplatte und gleiche den Sender oder Empfänger auf
Maximum ab. Warum wohl hat die US-Militärverwaltung in Deutschland schon 1945 die Funkamateure
unter den GIs aufgefordert, sich bei der nächsten Nachrichteneinheit zu melden?
Die Zahl der zu überwachenden Frequenzen war also endlich. Im Gegensatz dazu hatte das deutsche Militär schon durchstimmbare
Geräte, die man gezielt auf eine beliebige Frequenz eintellen konnte. Man suche nach "Tornister-Empfänger Berta". Während der
Demilitarisierung nach dem Krieg wurden fast alle deutschen Funkgeräte zerstört. Man findet sie also höchst selten.
Nach dem Krieg sammelten die Amerikaner und Sowjets in größeren Mengen die deutschen Spezialisten ein und machten sich so den
deutschen Vorsprung zu Nutze. Wernher von Braun und die Mondlandung ist dafür das spektakulärste Beispiel,
die Wullenweaver-Antennen ein ziemlich unbekanntes. Auch die Sowjets bauten im kalten Krieg solche runden Anlagen.
Kürzlich enthüllte eine Dokumentation der BBC, wie der britischen Geheimdienst GCHQ im 2. Weltkrieg die
deutschen U-Boote anpeilte: Horchfunker hörten die einschlägigen Frequenzen ab. Wenn sie ein typisches U-Boot-Signal hörten,
riefen sie laut die Frequenz. Darauf hin löste die Wache eine Peilaktion aus. Die gleiche Dokumentation beschreibt, dass
der GCHQ während der Cuba-Krise bestätigte, dass Frachter aus der UDSSR auf dem Weg Richtung Cuba umdrehten: Von jeder
entsprechenden Nachricht ging eine Kopie direkt an das Weiße Haus. Die Peilanlage Gablingen gab es damals noch nicht...
Wie zeitkritisch das alles war. zeigt ein anderes Detail aus der Dokumentation: Die Empfänger hatten zwei Kopfhöreranschlüsse.
Beim Schichtwechsel stöpselte die Ablösung erst ihren Kopfhörer ein, dann stand der Vorgänger auf und stöpselte seinen Kopfhörer
aus. Trotzdem waren mit solcher Technik nur Aussendungen anzupeilen, die mindestens etwa 30 s lang waren –
um 5 s hin oder her will ich mich dabei nicht streiten:
- 5 s für das Erkennen der Aussendung und das Rufen der Frequenz.
- 5 s für die Reaktion der Wache und Weitergabe der Frequenz an die Peilstellen über Telefon-Standleitungen.
- 5 s, bis die zuständigen Peilfunker reagieren.
- 5 s, um die Empfangsfrequenz einzustellen.
- 10 s, um mit dem Peilrahmen sorgfältig das Empfangsminimum einzustellen. Das geht schließlich nur, so lange
die entsprechende Station auch wirklich sendet, nicht in deren Sendepausen.
Die Dokumentation bestätigt außerdem, dass der GCHQ bis heute auch auf der Kurzwelle nach gegnerischen Funksignalen sucht –
das ist der Zusammenhang, in dem bis heute der Betrieb der Peilanlage Gablingen Sinn macht.
Wie sorgfältig auch diese Dokumentation irgendwelche kritischen Informationen vermeidet, erschließt sich dem normalen Publikum
kaum: Die als Beispiel genannte Frequenz 500 kHz war damals die internationale Notfunkfrequenz der Schiffahrt –
unverdächtiger geht nicht. Die Untermalung mit Morsezeichen enthält einen alllgemeinen Anruf mit einem unvollständigen,
englischen, Amateurfunk-Rufzeichen (CQ de G7...).
Funkpeilen im kalten Krieg
Zwischen 1960 und 1971 bauten die USA rund um die Welt etwa ein Dutzend Anlagen des Typs AN/FLR-9. Die Arbeitsreichweite
waren nominell 5.000 km. Die Begrenzung ist dabei weniger die Entfernung, denn die Winkelauflösung der Antenne und die
Richtungsverfälschungen durch mehrere Ionosphärensprünge: Man findet im Internet Angaben von etwa 0,5° für die Antenne.
Die Ionosphäre ist ein ziemlich dynamisches Medium, das nicht unbedingt einen glatten Spiegel darstellt. Für 5.000 km
braucht man mindestens zwei Ionosphärensprünge.
Ich habe selber schon mit 5 W Sendeleistung auf Kurzwelle bedeutend weitere Entfernungen überbrückt. Das ist überhaupt kein
Problem, selbst mit einer Funkanlage, die im Urlaub problemlos ins Fluggepäck passt.
Um den Standort eines Senders zu bestimmen, musste die Sendung von wenigstens zwei der Peilstationen erfasst und die Richtung
möglichst genau bestimmt werden.
Es stört dabei nicht, dass die Anlage so weit vom Meer entfernt ist – im Gegenteil:
Auf Kurzwelle gibt es einen Effekt, der als tote Zone bezeichnet wird. Der wird dadurch verursacht, dass Kurzwellensignale
ihre große Reichweite der Reflexion an der Ionosphäre verdanken. Die wirkt unter bestimmten Randbedingungen wie eine
Wasseroberfläche: Blickt man am Ufer eines Sees unmittelbar nach unten, kann man durch das Wasser auf den Boden sehen.
Blickt man flach aufs Wasser, sieht man Reflexionen des Himmels. Kurzwelle nutzt genau solche Reflexionen. Es passiert
beispielsweise im 7-MHz-Band häufig, dass man in Süddeutschland keine italienischen Funkamateure hört, aber beispielsweise
Russen.
Daraus ergibt sich die Aufgabe der Elefantenkäfige ganz zwanglos: Sobald der Gegner auch nur kurz einen Sender einschaltet,
kennt man dessen Standort. So bleibt kein Manöver oder größere Militärbewegung unerkannt, denn drahtlos kommuniziert werden muss
dabei immer.
Besonders wertvoll dürfte der Funkverkehr von U-Booten gewesen sein: Der Wert eines U-Boots ist um so größer, je weniger der
Gegner davon bemerkt. So gibt es überall in den Ozeanen Mikrofone, mit denen nach den Geräuschen von U-Booten gesucht wird.
Unter Wasser breiten sich Schallwellen über hunderte von km aus. Ein ganz entscheidendes Qualitätsmerkmal eines U-Bootes ist
deshab seine Lautstärke.
So ziemlich alle Betreiber von U-Booten betreiben Langwellensender auf Frequenzen von typisch weit unter 100 kHz, um Kommandos
an getauchte U-Boote absetzen zu können. Das 3. Reich betrieb dafür in der Nähe von Magdeburg den
Goliath, nomen est omen. Der Aufwand dafür ist
beträchtlich, denn 100 kHz entsprechen einer Wellenlänge von 3 km. Bei 10 kHz, der wohl untersten Grenze, ist die Wellenlänge
30 km. Eine gute Antenne sollte eine halbe Wellenlänge lang und möglichst frei sein.
Antworten können U-Boote bis heute in diesem Frequenzbereich aus technichen Gründen nicht. Also ist ein typisches Kommando
an ein U-Boot: Tauche auf und melde Dich bei der Kommandozentrale. Das passierte bis in die 1970er Jahre wohl in aller Regel
auf Kurzwelle – siehe oben.
Wie könnte ein Elefantenkäfig funktioniert haben?
[Falls der MAD das hier mal lesen sollte: Ihr könnt nachsehen, ich hatte nie mit militärischer Funktechnik zu tun. Ich kann
also überhaupt keine einschlägigen Geheimnisse verraten. Ich hatte aber vor laaaanger Zeit mal mit militärischer High-tech auf
einem völlig anderen Gebiet zu tun. Von daher habe ich eine Idee, mit welchem Wasser in den 1950er Jahren die Entwickler
militärischer Elektronik gekocht haben, wenn Geld keine Rolle spielte. Dieser Abschnitt ist also reine Spekulation,
ausgehend von den damals vorhandenen, technischen Möglichkeiten. Wenn ich unten in der Gegenwart formuliere, sind das
allgemein bekannte Fakten wie Eigenschaften der Kurzwelle. Was ich in der Vergangenheit formuliere sind Möglichkeiten, wie
die Anlagen ausgesehen haben könnten.]
Die Anlagen vom Typ AN/FLR-9 wurden in den 1950er Jahren entwickelt. Viele Details waren sicher so
speziell, dass sie mindestens 30 Jahre weitgehend unverändert blieben. Von daher kann ich mir vorstellen,
dass die Elefentenkäfige auch deshalb außer Betrieb genommen wurden, weil ihre Technik nicht mehr in Betrieb gehalten
werden konnte – keine Ersatzteile, viel zu hohe Betriebskosten, bei schwierigen Problemen keiner der Entwickler mehr
greifbar. Wie ich unten zeige, lohnte sich der Aufwand für eine Modernisierung ab einer gewissen Schwelle auch nicht mehr,
völlig unabhängig vom Ende des Eisernen Vorhangs.
Wie schon beschrieben, ging es hier nicht wirklich um das Abhören selber, sondern das Erkennen und Lokalisieren von
gegnerischem Funkverkehr. Ein sinnvolles Konzept könnte also so ausgesehen haben:
- Es gibt mehr oder weniger genau begrenzte Frequenzbereiche, die für militärischen Funkbetrieb in Frage kommen. Beispielsweise
kann man die Kurzwellen-Rundfunkbänder weitgehend aussparen, denn die meisten damaligen Funkgeräte können zwischen den
starken Rundfunksignalen die viel schwächeren militärischen Signale überhaupt nicht aufnehmen. Diese Ausage ist übrigens
belegt: Oberhalb des alten, analogen, Fernsehkanals 12 beginnt ein militärischer Funkbereich. Deshalb durften auf dem
Kanal 12 nur schwache Füllsender betrieben werden. Als der Fernsehkanal 12 dann für DAB umgewidment wurde, gefährete
diese Leistungsbetrenzung den Erfolg von DAB: DAB bekam das Image, nur sehr begrenzt empfangbar zu sein.
- Weitere Teile des Kurzwellenspektrums braucht man nicht zu überwachen, weil dort zu bestimmten Jahres- und Tageszeiten
sowieso nichts zu hören ist.
- Die restlichen Bänder teilte man in Intervalle von z.B. 20 kHz auf. Für jedes Intervall gab es eine Anzahl von Empfängern,
die jeweils in eine Anzahl von Richtungen hörten. Diese Richtungsumschaltung erfolgte z.B. in 0,1-s-Intervallen, so dass
innerhalb von wenigen Sekunden jedes Frequenzintervall mit einer Richtungsauflösung von 1° oder besser abgetastet wurde.
- Für jedes dieser Intervalle existierte ein Streifenschreiber, der einen breiteren Papierstreifen z.B. mit einer
Geschwindigkeit von 2 mm/min (für Amis: 0,1 Zoll/min) beschrieb.
- Quer zum Vorschub gab es einen Maßstab von 0° bis 360°.
- Je nach der Stärke des aus der entsprechenden Richtung empfangenen Signals wurde das Papier mehr oder weniger stark
geschwärzt.
Um einen 1 MHz breiten Bereich so abzutasten, braucht man mit obigen Parametern 50 Streifenschreiber und mehrere 100 Empfänger,
samt der ganzen Schalt- und Steuerelektronik.
Der nächste Schritt war dann die Auswertung der Papierstreifen. Das dürfte in der ersten Stufe durch eine Wache geschehen sein:
Wenn plötzlich verdächtige Aktivitäten aus einer bestimmten Richtung zu sehen waren, konnte man Horchfunker mit der Aufklärung
beauftragen. Viel schlauer brauchte das Personal dort nicht zu sein. Beispielsweise die Niederschlagung des Prager Frühlings
1968 dürfte sich hier deutlich früher abgezeichnet haben.
Anschließend dürften die Streifen bei einer zentralen Auswertestelle gelandet sein. Erst dort wurde dann aus den Richtungen,
aus denen die einzelnen Stationen ein Signal empfingen, der Standort des Senders bestimmt. Wenn etwa außerhalb der üblichen
Seefunkfrequenzen ein Sender mitten auf dem Meer erschien, konnte man das mal genauer untersuchen. Wenn auf der gleichen Frequenz,
aber von einem anderen Standort aus, immer wechselseitig ein Sender aktiv war, hatte man beide Kommunikationspartner
identifiziert. Dabei war es durchaus wahrscheinlich, dass keiner der Elefantenkäfige beide Sender erfasst hatte. Die Kurzwelle
ist so, nicht nur bei der toten Zone. Wenn beide Gesprächspartner unterschiedliche Sendefrequenzen benutzten, konnte man
die beiden aber wohl häufig mit Hintergrundwissen zusammen bringen.
Man kann meine Interpretation übrigens gut verifizieren: Der Ostblock benutzte genau die gleiche Technik, die die
CIA als KRUG bezeichnete. Folglich kann man einfach den Freedom of Information Act Electronic Reading Room der CIA nach KRUG befragen und stößt z.B. auf
Introduction to the KRUG Installation Series. Dort findet man beispielsweise die Schätzung, dass die KRUG-Stationen schon
eine 50 ms lange Aussendung peilen konnten. Nachdem zum Bestimmen eines Senderstandortes mehrere Peilstationen nötig sind,
muss man die Aufzeichnungen mehrerer Stationen übereinander legen. Elektronisch passierte das damals sicher nicht.
Das Ende in den 1980er Jahren
Aber alles hat ein Ende, auch die kommerzielle und militärische Nutzung der Kurzwelle. Seit es Sateliten gibt, gibt es viel
komfortablere und betriebssicherere Lösungen mit ganz andern Bandbreiten. Ein U-Boot wird heute nur noch eine Boje mit einer
kleinen Antenne aufsteigen lassen und irgendwo im UKW-Bereich oder höher mit einem Satelliten kommunizieren. Für militärische
Zwecke gibt es ab 230 MHz bis an die 400 MHz einen exklusiv zugewiesenen Frequenzbereich. Es ist auch kein Geheimnis, dass in
diesem Frequenzbereich viele Satelliten als Relaisstaionen zur Verfügung stehen. Ich vermute mal, dass diese Kommunikation
irgendwo um 300 MHz passiert, denn weiter oben müsste man mit Richtantennen arbeiten. Wie richtet man die bei hohem Wellengang
aus?
So wird verständlich, warum die Amerikaner die Peilanlage Gablingen nur bis etwa 1993 betrieben und sie 1998 an die
Bundesrepublik Deutschland abgaben – sollen die doch die Abrisskosten zahlen. Heute ist der BND ganz offiziell Hausherr.
Vermutlich machen die damit auch noch was, denn der Erhalt der Anlage ist ziemlich aufwändig. Mittlerweile erreichten mich
Hinweise auf weitere vergleichbare Antennen in Deutschland, die aber wohl nicht vom Typ AN/FLR-9 sind, dem die Anlage in Gablingen
sowieso nicht mehr entspricht – es fehlen heute die beiden Ringsysteme für die höheren Frequenzen. Vermutung: Diese
unterschiedlichen, wenigstens teilweise aus dem kalten Krieg stammenden Anlagen wurden mit einheitlicher, neuer Elektronik
versehen. Heute ist es kein technisches Problem mehr, den gesamten intressierenden Kurzwellenbereich mit einem Empfänger zu
erfassen, an jeden der Vertikalstrahler einen solchen Empfänger anzuschließen, und den Rest per Software zu erledigen.
Wer die obere Grenzfrequenz des Systems bestimmen will, sollte mal den Abstand zwischen den Strahlern und dem Reflektorring
messen. Wenn der Abstand eine halbe Wellenlänge beträgt, funktioniert die Peilerei nicht mehr: Bei diesem Abstand heben sich
die direkte Strahlung und die vom Reflektor zum Strahler zurück geworfene Strahlung ausgerechnet in Peilrichtung auf.
Nehmen wir mal einen Abstand von 10 m an. Dann tritt dieser Effekt bei einer Wellenlänge von 20 m (Frequenz 15 MHz) auf.
Das würde die Anlage auf Frequenzen unter etwa 10 MHz begrenzen. Das ist für den hier wahrscheinlichen Anwendungsfall
keine wesentliche Einschränkung, weshalb die Systeme für die höheren Frequenzen, siehe Handbuch [2],
wohl abgebaut wurden.
Vielleicht ist das auch nur Tarnung: Auf dem Gelände gibt es vermutlich ziemlich große Bunkeranlagen. Auch sollen einige
Glasfaserkabel der höchsten Netzebene am Gelände vorbeilaufen. Vielleicht werden die hier tatsächich angezapft und der BND
benutzt die Räumlichkeiten, entsprechende Gerätschaften unterzubringen. Darüber fand ich höchstens Vermutungen. Egal.
Und den Internet-Verkehr zapfen die Geheimdienste sowieso in Frankfurt/M. beim DE-NIC an. Siehe die Selektoren-Kontroverse.
Die Internet-Struktur ist derartig komplex und die Datenübertragung gerade auf den höhern Netzebenen so billig, dass selbst
der (Telefon-) Datenverkehr zwischen zwei Partnern in Augsburg mit einiger Sicherheit über Frankfurt geführt wird – also im einen
Kabel hin und im Kabel daneben zurück.
Der Nachfolger?
Auf Kurzwelle ist nicht mehr viel los. Entsprechend haben die USA die meisten Elefantenkäfige mittlerweile abgebaut.
Fast aller terrestrischer Funk hat sich mittlerweile in Frequenzbereiche oberhalb des UKW-Rundfunkbandes zurückgezogen,
wo man mit vergleichsweise winzigen Antennen arbeiten kann und große Datenmengen über kurze Strecken überträgt. Der digitale
Behördenfunk (TETRA) arbeitet um die 400 MHz, Mobilfunk oberhalb von 700 MHz. Hier reflektiert die Ionosphäre nicht mehr und
die Reichweite entlang des Bodens geht mit steigender Frequenz immer weiter zurück. Man beachte die ganzen Diskussionen über
die Versteigerungen der Mobilfunk-Bänder. In den Fernsehnachrichten sieht man immer wieder, dass irgendwelche Kämpfer mit
Handfunkgeräten hantieren.
Diese Begrenzung gilt aber nur entlang der Erdoberfläche: So lange man optische Sicht hat, sind ein paar 1000 km überhaupt
kein Problem. Ein einzelner Transponder eines Fernsehsatelliten sendet mit vielleicht 100 W und versorgt aus 36.000 km
Entfernung halb Europa. Terrestrische Fernsehsender arbeiten mit viel höheren Sendeleistungen und überbrücken kaum mehr
als 50 km.
Von daher ist folgendes Szenario für mich zwingend: Diverse Satelliten, die in ein paar 100 km Höhe unterwegs sind,
empfangen die einschlägigen Frequenzbereiche, digitalisieren sie und schicken den Datenstrom zur Erde. Zu Zeiten von GPS
ist es auch kein Problem, den Standort eines Sateliten auf cm genau zu bestimmen – jedenfalls für das Militär.
Genau so ist eine genaue Uhr kein Problem. Man kann den Standort eines Senders also ganz einfach durch die Laufzeitunterschiede
des Signals zu mehreren Satelliten bestimmen. Ich gehe davon aus dass es beim US-Militär Bildschirme gibt, die den Standort
solcher Sender samt einer Klassifizierung auf einer Karte anzeigen. Ein Mausklick, und eine Drohne sieht sich das aus der Nähe an.
Auf der Erde sieht man davon nur noch Satellitenschüsseln, die in Kugeln (Radomen) stecken. So ein Radom schützt die Antenne
nicht nur vor dem Wetter, sondern verschleiert auch die Richtung. in die sie schaut. Sonst könnte man ja viel zu leicht
herausbekommen, mit welchem Satelliten sie kommuniziert. Da ist es auch egal, ob die Antenne in Bad Aibling oder am
August-Euler-Flugplatz bei Darmstadt steht. Diese Bodenstationen dürfen nur nicht wesentlich weiter als vielleicht 1000 km
voneinander entfernt stehen: Je höher die Satelliten fliegen, um so mehr Wellensalat empfangen sie und um so geringer wird
die räumliche Auflösung am Boden. Je niedriger der Satellit fliegt, um so dichter müssen auch die Bodenstationen nebeneinander
liegen: Auch die Bodenstation braucht optische Sicht zum Satelliten.
Heute dürfte es übrigens ziemlich sinnlos sein, fremde Satelliten abhören zu wollen: Der allermeiste Verkehr geht über Glasfasern
und im Zweifelsfall verschlüsselt man die Datenströme. Wenn der Satellit sowieso da ist, kann man auch einen kontinuierlichen
Datenstrom darüber schicken, auch wenn man gerade nichts zu übertragen hat. So kann der Gegner nicht erkennen, ob man gerade
sinnvolle Daten überträgt oder nicht – der Datenstrom ist einfach immer da.
Auf Kurzwelle ist das heute gaaaanz einfach!
In einer Zeit, da ein Funkempfänger zu 95% aus Software besteht, wird auch das Peilen eines Senders auf Kurzwelle ganz
einfach, siehe http://www.wumpus-gollum-forum.de/forum/thread.php?board=29&thread=156: Auch im zivilen Bereich gibt es heute Uhren,
die auf µs genau gehen. Also ist es nur noch ein Software-Problem, einen Sender an verschiedenen Orten zu empfangen und aus
dem Laufzeitunterschieden den Standort recht genau zu bestimmen. Es ist also völlig überflüssig, die genaue Richtung zum
Sender zu bestimmen.
Genauer konnten Elefantenkäfige wohl auch nicht messen, speziell wenn man statt 12 Stationen ein paar 100 benutzt. Nur muss man
erst rechnen, ehe manwomöglich mehrdeutige Ergebnisse durch diverse Sender auf der gleichen Frequenz bekommt. Eine
Wullenweaver-Antenne liefert die Peilrichtung schon mal mit.
Verweise
- [1]: SZ vom 3. August 2013: Das große Ohr des BND (abgerufen 190714)
- [2]: Technical Manual, Operatir's, Organizatiational, Direct Support, and Depot Maintenance
Manual for Antenna Group Countermeasures Receiving SetAN/FLR-9(V7)/(V8) (abgerufen 190714)
- [3]: Geschichtsspuren.de: Hinweise zu: KMZ-Sammlung: Peiler/Wullenwever/CDAA (abgerufen 190714)
- [4]: How Scarborough saved the world
- BBC Radio 4, 23.10.2019, 11 h.
- [5]: National Security Agency:
The Last Elephant Cage (bei Youtube abgerufen 210205)
- Selbst die NSA erzählt mittlerweile, dass Anlagen wie die in Gablingen Peilanlagen für Kurzwelle sind.
Die hier gezeigte Anlage in Alaska ist wesentlich weiter ausgebaut als die bei Augsburg: Zwischen dem Ringreflektor und
den auch in Gablingen vorhandenen, äußeren, Strahlern gibt es einen weiteren Ring von Strahlern. Die sind näher am
Reflektor und es sind doppelt so viele. Außerdem sind sie kleiner. Das bestätigt meine Aussage von oben, dass der
Abstand zwischen Strahler und Reflektor die maximal nutzbare Frequenz bestimmt. Ansonsten bin ich der Überzeugung,
dass die NSA da massenweise Nebelkerzen wirft: Die russische Luftabwehr auszuforschen ist sicher nicht die ganze
Wahrheit. Auch ist ganz offensichtlich falsch, dass die Anlage in Alaska die einzige noch existierende sei.
Höchstens stimmt, dass die USA keine weiteren mehr betreiben. Eine Peilanlage allein ist sowieso sinnlos.
Eher geht es darum, dass die Funkausbreitung nahe den magnetischen Polen höchst unzuverlässig ist und dass
vermutlich relaitv wenige der Aufklärugssatelliten so weit in den Norden und Süden fliegen.
- [5]: Ringway Manchester (M3HHY): Elephant Cage - The USA's Worldwide Listeing Ear
- Dieses Video gibt einen Überblick über das ganze, weltweite System, aber ohne sich näher mit
der genaueren Funktion aufzuhalten. Der Autor hängt meiner Meinung nach zu sehr an den Inhalten der
empfangenen Sendungen,die meiner Meinung nach hier kaum ausgewertet wurden.
- [6]: Wallstreet Journal, 09.09.23: Intelligence Expert Breaks Down China's Secret Spy Bases in Cuba
- An 3:33 gebinnt ein Abschnitt mit dem Titel Elephant cages. Die dort gegebene Funktionsbeshreibung ist eindeutig falsch:
Die Laufzeit eines Signals durch die gesamte Anlage kann nicht gemessen werden, weil der Reflektorring dazwischen ist.
Hier werden eindeutig die Signale benachbarter Antennen im Kreis ausgewertet. Viel Richtwirkung hat die einzelne Antenne nicht,
ist ja nur ein Dipol mit einem Reflektor dahinter.
Aber die Laufzeitunterschiede zwischen benachbarten Antennen lassen sich auswerten.
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