Die Verstärkerröhre (Elektronenröhre) wurde kurz vor dem 1. Weltkrieg erfunden. Bis dahin mussten alle Funkeinrichtungen
ohne elektrische Verstärker im heutigen Sinn auskommen: Auf niedrigen Frequenzen, mit riesigen Antennen, großen Sendeleistungen
und mit den seltsamsten Hochfrequenzdetektroren. Hochfrequenzleistung erzeugte man mit teils riesigen Funkenstrecken, die
irre Krach machten (Knallfunkensender). Die Bedeutung der Verstärkerröhre ist also nicht hoch genug einzuschätzen. Ein halbes
Jahrhundert blieb sie unersetzbar, bis die Transistoren ihr zunehmend den Rang abliefen. Größere Kurzwellensender haben wohl
bis heute eine Röhrenendstufe, während Mittelwellensender auch voll transistorisiert sein können.
Die Ursprünge
Es war schon länger bekannt, dass man Elektronen im Vakuum mit magnetischen und elektichen Feldern beeinflussen kann.
Im Amateurfunk sprichwörtlich ist die Braunsche Röhre, die Ferdinand Braun 1897 erfand. Als Oszilloskop- oder Fernsehröhre
wurde diese grundsätzliche Konstruktion über 100 Jahre lang intensiv genutzt.
Ferdiand Braun musste seine Röhren anfangs mit etwa 100 kV Anodenspannung betreiben, weil er nur kalte Kathoden kannte.
Er musste also die Austrittsarbeit der Elektronen aus dem Kathodenmatherial mit Hilfe eines elektischen Feldes bereitstellen.
Dieses Problem löste 1905 Arthur Wehnelt, der die Kathode elektrisch heizte. Es dauerte bis in die 1920er Jahre, bis die
Betriebsspannungen der Verstärkerröhren auch ohne Weißglut der Kathode auf 200-300 V gesenkt werden konnten. Batteriebetriebene
Radios der 1950er Jahre arbeiteten mit einer Anodenbatterie, die rund 100 V lieferte. Der Endpunkt der Entwicklung
waren Röhren wie EF97 und EF98, die für Autoradios gedacht waren und mit 12 V Anodenspannung auskamen.
Zwei Väter
Mit 100 kV Anodenspannung kann man keine Verstärkerröhren für Kleinsignalanwendungen bauen. Diese Entwicklung konnte also
erst mit geheizten Kathoden starten. Hier verfolgten zwei Entwickler völlig unterschiedliche Ansätze:
- Der österreichische Physiker Robert von Lieben fokussierte einen Elektronenstrahl auf das Loch einer
zylinderförmigen, positiv vorgespannten Elektrode f [1]. Mit einem Magnetfeld e verschob
er den Fokuspunkt, wodurch mehr oder weniger Elektronen durch das Loch traten und auf der Rückseite der inneren Elektrode
im heutigen Sinne die Anode) auf das Blech trafen. Der Sinn dieses inneren Zylinders war wohl, möglichst viele der aus dem
Blech herausgeschlagenen Sekundärelektronen einzufangen – sie fanden das Loch nicht. Siegmund Strauss, ein
Mitarbeiter von Liebens, erzählte später einmal, sie hätten lange Probleme mit Glimmentladungen zwischen den beiden
Zylindern gehabt. Die ersten Exemplare brauchten übrigens 20 A Heizstrom [2]. Ziel der Entwicklung
war ein Verstärker für den Telefon-Weitverkehr.
- Der amerikanische Erfinder Lee de Forest entwickelte eine gasgefüllte Triode (Kathode - Gitter - Anode), patentierte aber
das Audion, das er darum baute und das zum Radioempfang diente. Die Röhrenfunktion konnte er wohl nicht beschreiben,
weil er allein mit Versuch und Irrtum zu einer funktionsfähigen Lösung kam. So konnte von Lieben später die Ablenkspule
durch ein Gitter ersetzen und sich diese Triode patentieren lassen. Das führte in den USA zu einem Patentprozess, den
von Lieben gewann.
Das Steuergitter hat aber letztlich keiner von beiden erfunden. Das beschreibt beispielsweise der Nobelpreisträger von 1905,
Phillip Lenard, schon 1903 [4], allerdings in ganz anderem Zusammenhang. Um die für seine Experimente
nötigen,langsamen, Elektronen herzustellen, führte er die Austrittsarbeit per UV-Licht zu.
Bei seinem Aufbau war auch leicht einzusehen, warum er den Verstärkungeffekt nicht erkannte. Der ganze Text lässt den
physikalischen Kenntnisstand seiner Zeit erahnen: Experimentell kannte man den photoelektrischen Effekt.
Den Wirkmechanismus deutete aber erstmals Albert Einstein 1905, als er den Begriff des Lichtquants (heute Photon)
einführte. Lenard wusste offensichtlich auch
noch nichts von Elektronen, weshalb er von Kathodenstrahlen spricht. Auch dieser Begriff lebte noch lange fort in der
Bezeichnung Kathodenstrahlröhre für Braunsche Röhren in Oszilloskopen und Fernsehern. In heutiger Terminologie
betrieb er seine Röhre in Gitterbasisschaltung. Ihn deshalb als Erfinder der Verstärkerröhre hinzustellen
[5], geht also doch etwas weit.
Bis zur Praxistauglichkeit waren noch eine Menge Probleme zu lösen, von einem ausreichenden Vakuum über Verbesserungen der
Kathoden bis zum Ausglühen der Röhren, um die Materialien zuverlässig gasfrei zu machen.
Am längsten dauerte wohl, sich vom
Fertigungsprozess der Glühbirne zu lösen: Alle Elektroden mussten parallel durch den Pressglasfuß geführt werden, unten
wurde dann der Sockel angekittet. Diese Konstruktion war nötig, bis man die Ausdehnungskoeffizienten von Glaskolben und
Metall genau genug angleichen und gleichzeitig die Dichtheit der Drahtdurchführungen garantieren konnte. Erst damit konnte
man über den Kurzwellenbereich hinaus gehen.
Literatur
- [1] Deutsches Reichspatent 179807 für Robert von Lieben: Kathodenstrahlrelais.
Ausgegeben am 19.11.1906.
- [2] Aus der Geschichte der Lieben-Röhre – Der Werdegang einer großen Erfindung.
Zusammenfassung eines Vortrags von Siegfried Strauss [Mitarbeiter von Liebens] vor dem Internationalen Radioclub in Wien.
In: Radio-Amateur, Monatsschrift für Radio, Tonfilm und Fernsehen. Jahrgang XV, März 1938, Folge 3, S. 125ff
- [3] Das Leben des Robert
von Lieben. In: Website von H.T. Schmidt [enthält diverse Zeichnungen von Lieben-Röhren] (abgerufen 180409)
- [4] Lenard, P.: Über die Beobachtung langsamer Kathodenstrahlen mit Hilfe der Phosphoreszenz
und über Sekundärentstehung von Kathodenstrahlen. In: Annalen der Physik, Band 12, Seite 449, 1903, Nr. 11, 4. Folge
- [5] Lachner, F.: Aus der Urgeschichte der Radioröhren. In:
Radio-Amateur, Monatsschrift für Radio, Tonfilm und Fernsehen. Jahrgang XV, August 1938, Folge 8, S. 427ff
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