Am 25.06.2021 veröffentlichte der "BR Faktenfuchs" den Artikel Keine erhöhte Gefahr von Blackouts durch die Energiewende
[19].
Was die Redaktion des Bayrischen Rundfunks da zusammenstellt, ist eine ziemlich
bösartige Kombination aus Fakten der Vergangenheit und Zukunftsvisionen, zusammen mit solider Unkenntnis.
Völlig unter den Tisch fallen die absehbar katastrophalen Folgen eines Blackout
[20].
Wer eine viel lustvollere Abrechnung mit diesem Text haben will und genug Zeit hat,
kann sich auch das Antwort-Video von Outdoor Chiemgau
[22] reinziehen:
Machen wir mal den Faktencheck beim Faktenfuchs des BR.
Ich bin halt nur nüchterner Ingenieur.
Der BR bezieht sich ausdrücklich auf ein Video im Youtube-Kanal Outdoor Chiemgau, ohne die Quelle zu nennen. Das ist schon mal die erste
Bösartigkeit, denn der BR greift einen Nebenaspekt aus der umfangreichen Berichterstattung des Youtube-Kanals heraus und macht sich darüber
lustig. So macht es der Bayrische Rundfunk seinen Lesern unmöglich, sich mit der ganzen Breite der Argumente auseinanderzusetzen.
Als nächstes wird der Betreiber des Kanals in die rechte Ecke gestellt. Man wird Stefan sicher nicht vorwerfen können, linksextrem zu sein.
Aber wenn man ihn in der schwarzen bayrischen Provinz verortet, steht er sicher auf dem Boden seiner lokal herrschenden Leitkultur.
Im Abschnitt Wie funktioniert das Stromnetz breitet die Redaktion ihr technisches Nichtwissen aus.
Dass wir in Deutschland mehrere Netzbetreiber haben, ist schon mal irrelevant. Wir haben ein Verbundnetz von Portugal bis in die Türkei.
Das ist eine technische Einheit. Dass das Stromnetz darauf ausgelegt sei, dass Erzeugung und Verbrauch immer im Gleichgewicht sein müssten,
wird auf den Stromhandel mit den Nachbarstaaten reduziert. Keine Rede ist davon, ob dafür die nötigen Leitungen vorhanden sind
oder unsere Nachbarn uns auch immer den Strom liefern oder abnehmen wollen, können oder müssen.
Vom allgemeinen Mangel an Speichermöglichkeiten ist nicht die Rede; nur wird mit diesen Speichern später argumentiert.
Im Abschnitt Wie ist das deutsche Stromnetz gesichert? wird dann versichert, dass die Schwungmassen nicht verschwinden würden.
Damit greift die Redaktion des BR-Faktenfuchs einen Nebenaspekt eines der Videos von Outdoor Chiemgau heraus, was das Finden des Videos
so gut wie unmöglich macht.
Das ist auch bestenfalls eine Halbwahrheit: Mit jedem abgeschalteten konventionellen Kraftwerk wird die Schwungmasse weniger.
Regenerative Kraftwerke enthalten meist keine Schwungmasse, denn deren Wechselrichter hält sich an der vorgegebenen Netzfrequenz fest.
Die Netzbetreiber würden sich massiv wehren, wenn ihnen 100.000 Kleinkraftwerke hier ins Handwerk pfuschen wollten!
Mal ganz abgesehen davon, dass eine solch dezentrale Regelung für jeden Regelungstechniker der totale Alptraum wäre: Die Schwungmassen
der Generatoren und Synchronmotoren verhalten sich deutlich anders als jede Regelschleife, die zwangsweise eine Verzögerung verursacht.
Das Ergebnis nennt der Regelungstechniker Totzeit-Schwingungen.
So richtig wild wird es im nächsten Abschnitt Wie könnte die Momentanreserve in Zukunft ersetzt werden?
Da stehen zwei Sätze hintereinander, die das ganze Dilemma entlarven:
Für die Momentanreserve gibt es schon jetzt Alternativen. Zum Beispiel könnten Windkraftanlagen die Momentanreserve liefern,
wie das Fraunhofer-Institut für Energiewirtschaft und Energiesystemtechnik erforschte.
Da stehen Indikativ und Konjunktiv eines Forschungsprojektes hintereinander. Genau das wird bei Outdoor Chiemgau bemängelt:
Da wird abgerissen, ehe passender Ersatz geschaffen wurde.
So geht es gleich weiter: {Eine] deutlich effektivere Variante ist, dass Batterien die Momentanreserve ersetzen.
"Das funktioniert wie die Batterie im Auto als Akku. Man nimmt darüber Strom auf oder gibt Strom ab, entsprechend der Netzfrequenz.
Wenn die unter 50 Hertz liegt, muss Leistung ins Netz. Wenn sie über 50 Hertz ist, muss Leistung aus dem Netz genommen werden."
Mit der Momentanreserve hat das überhaupt nichts zu tun: Hier bräuchte man installierte Leistungen von vielen Gigawatt,
die weit und breit nicht zu sehen sind. Im Januar 2021 fehlten 6 GW und im Mai 10 GW in einem Verbundnetz, das von konventionellen
Kraftwerken stabilisiert wird. Im Januar mussten große Verbraucher in Italien und Frankreich vom Netz getrennt werden.
Im Mai konnte Polen auf seine Pumpspeicher-Kraftwerke und die Unterstützung der Nachbarn zurückgreifen.
Machen wir mit dem Abschnitt Was ändert sich mit der Energiewende? weiter. Die Aussage
Deshalb müssen neue Leitungen gebaut werden, um den Strom transportieren zu können ist zwar richtig,
aber das zentrale Argument wird verschwiegen: Bis diese Leitungen alle in Betrieb sind, sind schon längst die ganzen
Atomkraftwerke und viele Kohlekraftwerke vom Netz. Dann zeigt sich die ganze Ignoranz der Faktenfuchs-Redaktion:
Grundsätzlich gibt es auch erneuerbare Energiequellen, die man steuern kann – Wasserkraft zum Beispiel oder Biomasseanlagen.
Das ist ganz eindeutig daneben, wie sie in ihrer Grafik selber zeigen: Die muss man schon kräftig vergrößern.
um den Anteil der Wasserkraft an der Stromerzeugung überhaupt zu sehen. Dazu sind die meisten Wasserkraftwerke Laufwasser-Kraftwerke,
d.h. sie stauen einen Fluss auf. Diese Kraftwerke kann man höchstens drosseln und das Wasser ungenutzt über das Wehr fallen lassen.
Mehr Wasser durchlaufen zu lassen würde oberhalb den Wasserstand abfallen lassen und unterhalb Überschwemmungen
verursachen. Die Biomasse liefert den konstanten, grünen, Sockel. Warum ist der wohl so konstant?
Im Abschnitt Die Motivation hinter dem Blackout-Narrativ werden Geschäftemacher und rechte Verschwörungstheoretiker beschworen.
Dazu dreht die Redaktion die Kausalkette einfach um. Natürlich beobachten die Rechten fasziniert, wie sich unsere Gesellschaft selber schwächt.
Einfacher und gefahrloser können sie ihre Ziele nicht fördern: Mit Vorräten für Monate bis Jahre sorgen sie dafür,
dass sie einen Zusammenbruch ohne große Schwächung überstehen können. Ich rede hier nur einem Vorrat für drei Wochen das Wort,
um eine dringend nötige Sicherheitsebene einzuziehen.
Stimmen aus dem Gegenlager, wie ich sie in meinem
Literaturverzeichnis aufführe,
kommen beim Faktenfuchs nicht zu Wort.
Um es deutlich zu sagen: Dieser Artikel des Faktenfuchs halte ich ganz klar für irreführende Informationen.
Das unterscheide ich deutlich vom fehlenden technischen Sachverstand sehr vieler Redakteure: Wer noch nicht mal zwischen
Leistung und Energie unterscheiden kann, sollte sich aus bestimmten Themen strikt raushalten; das kann nur schief gehen,
wie viele Presseveröffentlichungen immer wieder zeigen. Wie man an vielen Grammatikfehlern der Texte sieht, wird beim Bayrischen Rundfunk
zumindest in der Online.Abteilung mit ganz heißer Nadel und minimaler Kontrolle gestrickt.
Wer meine Aussagen abqualifizieren will, sollte meinen Hintergrund kennen: Ich bin Dipl.-Ing. Elektrotechnik und habe zwei Jahre
für einen der großen Energieversorger in mehreren Steinkohle-Kraftwerken gearbeitet.
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