Immer wieder mal ermutigt diese Websites Leser, an mich als technischen Experten Fragen zu stellen.
So auch Michael. Zwar interessierten ihn eher atmosphärische Effekte, aber dafür bin ich nun wirklich nicht der
richtige Spezialist. Also beschränkte ich mich auf meinen Kompetenzbereich.
Hallo Michael,
Schön, dass Du meine Website so interessant findest. Aber mit atmosphärischen Ausbreitungsbedingungen habe ich mich
noch kaum beschäftigt. Als Techniker interessieren mich viel mehr die rein gerätetechnischen Parameter. Da kommen aber
auch schon einige wesentliche Aspekte zusammen, die sich teilweise verstärken und teilweise kompensieren:
- Völlig unabhängig von irgendwelchen Ausbreitungseffekten gilt, dass die Freifelddämpfung mit der Frequenz ansteigt.
Das kannst Du Dir veranschaulichen, wenn Du Dir die Antennengeometrien ansiehst: Je höher die Frequenz ist, um so
kleiner die Fläche, aus der z.B. ein Dipol Energie einfangen kann. Es gibt dazu den rechnerischen Begriff der
aktiven Fläche, die bei einem Dipol grob einem Quadrat mit einer halben Wellenlänge entspricht.
- Je höher die Frequenz ist, um so leichter kannst Du Antennen mit Gewinn bauen und um so geringer ist das
atmosphärische Rauschen. Eine Antenne kann um so mehr verstärken, je mehr Richtwirkung sie hat; dabei
blendet sie auch atmosphärisches Rauschen (und auch Störsignale) aus anderen Richtungen aus, was im weitereen Signalpfad
nicht mehr möglich ist: Eine Antenne ist der beste Hochfrequenzverstärker!
- Je weniger Rauschspannung aus der Antenne kommt, um so mehr lohnt sich ein rauscharmer Vorverstärker. Der Effekt wirkt
sowohl oben als auch unten: Besonders rauscharme Verstärker sind von 70 cm aufwärts (nur ausnahmsweise
auf 2m) und im Langwellenbereich sinnvoll. Zwar ist die Atmosphäre auf Langwelle sehr laut. Aber der
Antennenwirkungsgrad ist häufig extrem schlecht, weil die Antenne so klein ist gegen die Wellenlänge oder anderweitig
große Verluste hat wie die Beverage-Antenne, siehe Wikipedia.
- Ganz generell gilt: je größer Du eine Antenne machst, um mehr Richtwirkung hat sie. Das kann erwünscht sein, z.B.
bei gestockten Rundstrahlern für 2m und 70 cm. In anderen Fällen ist es ausgesprochen hinderlich, etwa beim
Portabelbetrieb. Sieh Dir mal Berichte von Versuchen auf einigen 10 GHz an: Die OMs arbeiten dabei mit Spiegeln,
die kaum die aktive Fläche einer 2m-Handfunke haben, aber auf vielleicht 1° genau ausgerichtet werden müssen.
- Unterhalb des UKW-Bereichs kommt man schnell in Bereiche, in denen der Antennenwirkungsgrad abnimmt. Das gilt ganz
speziell beim Mobilbetrieb. 6m ist wohl der langwelligste Bereich, in dem man am fahrbereiten KFZ mit nicht verkürzten
Antennen arbeiten kann. Auf 80m wirst Du Dich schon anstrengen müssen, auch nur 1% der Senderenergie
wirklich in die Luft zu bekommen.
- Je höher die Frequenz ist, um so einfacher lässt sich der Bodeneffekt bekämpfen. Unter Bodeneffekt versteht man
die Überlagerung aus der direkt abgestrahlten Welle und ihrer Reflexion am Boden. Bei der Bodenreflexion wird die
Polarität invertiert, so dass die meist sehr erwünschten Strahlungsanteile in der Horizontalen sich gegenseitig auslöschen.
Der Bodeneffekt ist bei vertikal polarisierten Wellen wesentlich geringer als bei horizontal polarisierten, daher der Ruf
von Groundplanes als DX-Antennen für Kurzwelle. Auf 80m wirst Du nur selten eine Antenne auch nur eine halbe
Wellenlänge hoch aufhängen können, während das auf 2m keinerlei Problem ist. Du kannst auf 2m oder höher sogar relativ
leicht zwei oder mehr gleiche Antennen übereinander stocken, was die Strahlung bündelt. Das ist wiederum eine
Technik, die man auf 6m vielleicht noch hinkriegt, aber schon auf 10m nur noch selten möglich ist – außer Du treibst
Aufwand wie bei der Conteststation OH0Z, siehe QRZ.COM. Beim Stocken wirst Du auch regelmäßig auf den Begriff Stockungsabstand stoßen. Der optimale
Stockungsabstand ist grob der Abstand der beiden Antennen, an dem sich die aktiven Flächen nicht mehr überlagern,
sich die Antennen also gegenseitig keine Feldenergie mehr wegnehmen.
- Auch viele andere Effekte sind von der Wellenlänge abhängig. Manche haben nur eine obere oder untere Grenzfrequenz,
andere haben Bandpasscharakter. Manchmal überlagern sich Effekte mit Grenzfrequenz so, dass Bandpasscharakteristiken
herauskommen – Beispiel Mittelwelle: Die niedrigste aktive Atmosphärenschicht dämpft bis zu einer bestimmten
Frequenz und entsteht durch Sonneneinstrahlung. Darüber liegt eine reflektierende Schicht, die ihrerseits eine obere
Grenzfrequenz hat. Der Endeffekt ist, dass die Mittelwelle tagsüber fast nur über die Bodenwelle funktioniert, darüber
die Kurzwelle aber tendenziell tagsüber eine höhere Grenzfrequenz hat.
- Ein für die Bodenwelle recht wesentlicher Effekt ist die Beugung: An Kanten, die scharf sind im Vergleich
zur Wellenlänge, wird Strahlung über die Kante hinweg gebeugt. Vielleicht erinnerst Du Dich an die Spaltbeugung
von Licht im Physikunterricht. Auf niedrigeren Frequenzen werden natürlich irgendwann auch Bergkämme oder sogar sanfte
Hügelkämme ziemlich scharf.
Zwei Beispiele
Vor Jahren habe ich mal mit einem OM diskutiert. Der hatte das nötige Kleingeld, um sich östlich vom Ruhrgebiet eine
Antennenfarm leisten zu können: 40 m hohe Masten, auf denen er z.B. KW-Beams stocken konnte. Er erzählte mir, dass er auf
160m öfter mal mit einem OM in Belgien zusammenarbeitete. Ihre Querverbindung machten sie dann auf 10m über die Bodenwelle.
Zu Beginn des 2. Weltkriegs benutzte die deutsche Luftwaffe das Knickebein-Verfahren zur Navigation, siehe
Wikipedia und
Panomino. Als den Briten in abgeschossenen deutschen
Flugzeugen die äußerst empfindlichen Empfänger auffielen, konnten sie sich zunächst keinen Reim darauf machen; sie hielten
Verbindungen über die entsprechenden Entfernungen für unmöglich. Sieh Dir mal die Zeichnung der Antenne im Wikipedia-Artikel
an: zwei vierfach gestockte, vertikale 2-El-Yagis, schätzungsweise 1,5 λ über Grund und mit λ/2 Stockungsabstand.
Die eine Antenne sendete Morsepunkte, die andere Striche. Nur genau zwischen den beiden Strahlen kam im Empfänger ein
Dauerstrich an.
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