Sehr lange hielt ich mich vom digitalen Kanalfunk fern – ich wollte mich vor allem nicht von einem
bestimmten Hersteller einsperren lassen: D-Star-Geräte gibt es praktisch nur von Icom, für sehr viel Geld und mit
einer recht bescheidenen Sprachqualität. Für die Konkurrenzverfahren gilt vorzugsweise das Gleiche. Aber dann trat DMR
auf den Plan, ein offiziell durchgenormtes System.
Trotzdem bedurfte es eines konkreten Anlasses, dass ich mir ein Gerät kaufte: Immer wieder arbeite ich über Monate vor Ort
beim Kunden und diese Gelegenheit nutze ich dann, mich als Gast dem lokalen OV anzuschließen.
So landete ich zuletzt bei F11 in
Bad Homburg und wurde, wie in unserer internationalen Bruderschaft üblich, herzlich aufgenommen. Und fand mich
plötzlich im OV-Projekt DMR wieder: An die 10 OMs beschlossen, sich alle das selbe DMR-Gerät zuzulegen, um die
unvermeidlichen Anfangsprobleme gemeinsam anzugehen. Ich brauchte noch nicht mal eine offizielle Bestellung aufzugeben: DK1NF
bestellte nach einem QSO auf der OV-Frequenz einfach zwei Geräte. TNX!
Funkgeräte für eine ganz andere Zielgruppe
Bis vor recht kurzer Zeit arbeiteten DMR-Funkgeräte fast ausschließlich auf 70 cm. Selbst wenn sie auch FM können: Das
zwingt einen OM immer noch dazu, zwei Handfunkberäte rumzuschleppen. Schließlich passiert ein wesentlicher Teil des
Kanalfunks auf 2m. Das schränkt die die Auswahl extrem ein. Zum Entscheidungszeitpunkt gab es genau zwei entsprechende
Geräte, deren Preis sich um mehr als den Faktor 2 unterschied. Da war klar, was wir als Einstiegsdroge wählten, das
Radioddity GD-77.
Ein Problem haben allerdings alle derartigen Geräte: Das sind ursprünglich Betriebsfunk-Geräte, die auf Baustellen oder bei
Wachdiensten benutzt werden. Dort haben die Nutzer bestimmte Kommunikationsbedürfnisse und keine Ahnung von der Technik.
Also programmiert der Betreuer einige wenige Kanäle ein und sichert die Einstellungen mit einem Passwort. Das führt zu einer
Bedieneroberfläche, bei der sich ein Funkamateur nur die Haare raufen kann: Kein VFO-Knopf, kein Betriebsarten-Schalter.
Speicherplatz kostet heute nichts mehr, also kann man durchaus ein paar 1000 Kanäle speichern. Aber wie wählt man die richtige
Kombination aus Frequenz und diversen Parametern?
So lange kein Hersteller spezielle Amateurfunk-Varianten dieser Geräte herstellt, bleibt die Ergonomie für uns ganz klar
auf der Strecke. Mobilbetrieb wird nur funktionieren, wenn man sich das Gerät für die wenigen Kanäle programmiert, die man
lokal so benutzt: 2-3 Relais, 1-2 Direktkanäle. Wir werden also um 40 Jahre zurückgeworfen, als wir mit Quarzgräbern
arbeiteten. Wir bräuchten eine viel konventionellere Bedieneroberfläche: Einen VFO-Knopf zum Einstellen der
Frequenz, eine Möglichkeit zum Einstellen von Betriebsart und Frequenzband.
Viele der Geräte enthalten einen GPS-Empfänger. Also könnte man eine Relaisliste mit den Standorten der Relais und deren
Betriebsart bzw. Netzzugehörigkeit reinladen. Dann bräuchte man nur noch Betriebsart oder Netz wählen. Im Zweifelsfall
probiert das Gerät einfach die möglichen Relaisfrequenzen durch und sucht sich die beste Verbindung bzw. ein freies Relais
selber aus. Bis dahin vergnügen sich noch viele OMs mit dem Erstellen der Datensätze (Codeplugs) für diese Art
von Funkgeräten.
Auch Chinakracher werden sauber
Ein OM aus meinem OV ist Vertriebsingenieur bei Rohde & Schwarz. Er bekam kürzlich die Erlaubnis seines Chefs, sich aus dem
Fundus seiner Abteilung ein paar Geräte auszuwählen und zum OV-Abend mitzunehmen. So standen dann kürzlich runde 200.000 EUR
beim OV-Abend auf dem Tisch. Gelegenheit, zwei GD-77 auf die Schnelle zu vermessen.
Die überraschende Erkenntnis: Die Dinger sind sauber!
- Die einzig kritische Nebenaussendung gab es auf 2m, auf der 1,5-fachen Frequenz mit -68,5 dB. Die fehlenden 1,5 dB
filtert dann die Antenne weg :-)
- Die ersten Oberwellen auf 2m und 70cm sind an die 80 dB gedämpft.
- Die 2. Oberwelle auf 70cm ließ sich nur durch Verringern der Analsysatorbandbreite überhaupt messen. Am Analysator
lag das nicht, der war bis 6 GHz kalibriert.
- Es kommen 4,85 W raus. So würde auch ich 5-W-Geräte einstellen, wenn die Vorschriften maximal 5 W zulassen. Ja, wir
Funkmateure dürfen mehr. Aber wir sind nicht die Zielgruppe für diese Geräte...
Auf den ersten Blick sind auch die Empfangseigenschaften erfreulich: Die Rauschsperre öffnet bei 0,12 µV – auf beiden
Bändern. Allerdings ist das Großsignalverhalten grauenhaft. Bei den Technikabenden von F11 hat sich eingebürgert, dass man
erst den Raum zu verlassen hat, ehe man auf die Taste drückt. Sonst werden alle GD-77 im Raum komplett zugestopft. Nach
Friedrichshafen braucht man kein GD-77 mitzunehmen...
Eine totale Krankheit: Die Ladehalterung
Zwei Konstruktionsfehler der Ladeeinrichtung des GD-77 sind mittlerweile allseits bekannt: Das Netzteil liefert 12 V
an einen USB-Stecker und die Ladespannung ist 8,55 V – eindeutig zu viel für einen zweizelligen LiPo-Akku.
- Also habe ich das Netzteil gleich entsorgt und durch eines aus meiner Bastelkiste ersetzt. Das tat früher mal an
einem WLAN-Router von Netgear seinen Dienst.
- Die Ladespannung habe ich mit einem 390-kΩ-Widerstand reduziert. Die Idee fand ich im Internet. Sorry, beim
Schreiben dieser Seite konnte ich den Link nicht mehr finden.
(Im Bild ist oben das RG-174 angeschlossen, das weiter unten wieder auftaucht.)
Fünf andere Probleme fand ich selber:
- Steckt man das GD-77 in die Ladehalterung, wird es völlig taub. Das liegt am Schaltregler, der aus den 12 V des Netzteils
die Ladespannung erzeugt: Weder die Eingangs- noch die Ausgangsspannung des Schaltreglers sind HF-tauglich abgeblockt.
Das erledigen jetzt zwei 20-nF-Keramikkondensatoren aus der Bastelkiste.
- Wenn ich das GD-77 in der Hand halte, der Ladeständer Strom hat und ich auf die Taste drücke, blinkt die Ladeanzeige.
Das könnte man für einen Schönheitsfehler halten. Aber wo HF rein kommt, da kann auch HF raus. Und genau das will man
im Shack sicher nicht. Also habe ich die Routinemaßnahmen ergriffen, ohne mich um die Wirksamkeit der einzelnen Änderungen
zu kümmern: Ich hätte sonst nach jeder Maßnahme den Ladeständer wieder zusammen bauen müssen. Irgendwann hätte dann das
Ding den Geist aufgegeben.
- Das Saftkabel bekam eine Mantelwellendrossel.
- Symmetrische Störungen unterdrückt ein Ferritelement auf der Plus-Leitung. Dafür habe ich die markierte Leiterbahn
unterbrochen und auf der Bestückungsseite eine Ferritdrossel aus der Bastelkiste eingebaut. Passende Löcher waren
schon vorhanden. Wer eine der bekannten Sechsloch-Drosseln rumliegen hat, kann natürlich auch die nehmen.
- Nachdem ich die unsymmetrischen Störungen hochohmig gemacht habe, kann ich sie mit einem 20-nF-Kerko kurzschließen.
Siehe die Platinenecke auf der Bestückungsseite.
- Nach dem gleichen Strickmuster wie das Netzteil habe ich die Ladekontakte angeschlossen. Es ist kein Zufall, dass
ich hier RG-174 benutzt habe: So minimiere ich die Gefahr, dass die HF des Funkgerätes in die Ladeelektronik
einstrahlt. Umgekehrt kann so der Schaltregler nicht mehr so leicht ins Funkgerät reinblasen, was die Funktion der
beiden Kerkos oben unterstützt.
- Eine Maßnahme will ich bei Gelegenheit noch umsetzen: Der Akku des Funkgerätes ist direkt mit den Ladekontakten
verbunden und damit mit dem Laderegler. Schaltet man die Betriebsspannung ab, wird der Akku über den Spannungsteiler
der Laderegelung entladen – langsam, aber sicher; spätestens wenn man vor dem Urlaub den Hauptschalter des
Shacks ausschaltet. Da werde ich wohl ein kleines Relais einsetzen, das ich mit den 12 V am Eingang errege.
- Die Strommessung für die Ladeanzeige passiert über einen Widerstand am Minus-Anschluss der Ladeschale. Wer also
sowohl die Ladeschale aus der 13,8-V-Schine des Shacks versorgt als auch eine geerdete Antenne an das GD-77 anschließt,
schließt diesen Widerstand kurz und sollte sich über Nebeneffekte nicht wundern. Ich habe nicht untersucht,
ob diese Strommessung auch den Ladestrom beeinflusst!
Was sonst noch auffiel
Mein persönliches Problem mit dem Gerät ist, dass sich die Mikrofonempfindlichkeit nicht einstellen lässt. Das ist aber
ein Feature, das ich bei so manchem italienischen LID auf 40m mit seinem 30 kHz breiten Signal schon schmerzlich vermisst
habe. Lindern ließ sich das Problem mit dem externen Mikrofon von meinem 25 Jahre alten Kenwood TH79E - passt und klingt
deutlich besser. Ich musste aber schon immer die Mikrofonempfindlichkeit aufdrehen.
Schade ist auch der enorme Preisunterschied zu allen vergleichbaren Geräten. Gerade in der Experimentierphase bleibt da
gar keine Alternative zu Amazon. Die paar Amateurfunk-Fachgeschäfte, die es überhaupt noch gibt, müssen darunter leiden.
Aber 200 EUR aufwärts hätte ich in dieser Phase nicht ausgegeben. Hoffen wir mal, dass irgendwann ein praxistaugliches
Mobilgerät auf den Markt kommt. Bis dahin bleibe ich sowieso vorzugsweise bei der analogen Technik.
Verweise
- [1] Reilly, Jason, VK7ZJA: Modifications, hints, tips and technical information for the Radioddity GD-77 dual band DMR digital handheld radio
- Eine umfangreiche Linkliste und eigene Modifikationshinweise
- [2] Modifications, hints, tips and technical information for the Radioddity GD-77
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