Über die Rauschzahlen von Vorverstärkern wird viel und heftig gestritten – nicht nur innerhalb des Amateurfunks.
Die Zusammenhänge sind aber gar nicht so kompliziert. Erst mal gaaanz einfach: Die Rauschzahl eines Verstärkers
gibt in dB an, wie stark der Verstärker rauscht.
Definition der Rauschzahl
In der Theorie wird so vorgegangen:
- Zunächst wird der Vorverstärker mit der vorgeschriebenen Quellimpedanz am Eingang abgeschlossen und die
Rauschleistung am Ausgang des Verstärkers gemessen.
- Diese Leistung wird durch die Verstärkung dividiert. So wird alles Rauschen auf den Eingang des Verstärkers bezogen.
- Im nächsten Schritt wird die so berechnete Leistung durch die Leistung dividiert, die eine ideale Quellimpedanz
bei Raumtemperatur liefern würde.
Wenn also die Rauschleistung am Ausgang des Verstärkers doppelt so hoch ist wie die Leistung, die sich aus Rauschleistung
des idealen Eingangswiderstands und der Verstärkung ergäbe, hat der Verstärker einen Rauschzahl von 3 dB.
Bedeutung der Rauschzahl
Wenn sich innerhalb der Strahlungkeule einer Antenne ein wesentlicher Teil Erdboden befindet, kann auch die
Antennenimpedanz keine wesentlich geringere Rauschleistung liefern als der oben genannte Widerstand. Anders sieht das aus,
wenn die Antenne in den Himmel gerichtet ist und wenige Seitenzipfel im Richtdiagramm hat – darauf werden Antennen für
EME-Betrieb optimiert, wo der Mond als Reflektor benutzt wird. Der Himmel ist wesentlich kälter als Raumtemperatur und so
kommt auch die Antennenimpedanz zu einer geringeren Rauschleistung – die Antenne hat eine niedrigere Rauschtemperatur
als Raumtemperatur.
Der Begriff Rauschtemperatur nutzt den Zusammenhang, dass die Rauschleistung eines idealen Widerstandes proportional
zu seiner (absoluten) Temperatur ist. Statt 300 K kann eine EME-Antenne eine Rauschtemperatur von unter 100 K haben.
Genau so kann man dem Verstärker auch eine Rauschtemperatur zuordnen. 3 dB Rauschzahl entsprechen also einer
Rauschtemperatur von 300 K. Die 300 K Rauschtemperatur des Widerstandes vor dem Verstärker dazu addiert ergibt sich für
den Ausgangswiderstand des Verstärkers eine Tauschtemperatur von 600 K.
Diese Weltraumanwendungen sind es auch, die bei Vorverstärkern den Kampf um das letzte Zehntel dB Rauschzahl ausgelöst
haben: Wenn die Rauschleistung am Eingang des Verstärkers nur halb so hoch ist wie die eines Widerstands mit 300 K,
verschlechtert ein Verstärker mit 3 dB Rauschzahl das Signal-Stör-Verhältnis schon um 6 dB.
Ohne Transistoren, die bei 10 GHz Rauschzahlen von wenigen Zehntel dB ermöglichen, wäre beispielsweise das
Satellitenfernsehen in der heutigen Form nicht möglich. Bei gleicher Sendeleistung sollten Fernsehsatelliten ursprünglich
nur die Kopfstationen von Kabelfernsehnetzen versorgen, weil Verstärker mit beispielsweise 10 dB Rauschzahl
Empfangsschüsseln mit mehreren Metern Durchmesser erfordert hätten.
Messen von Rauschzahlen
Rauschmessungen laufen in der Praxis meist mit Hilfe eines Leistungsmessgerätes für den entsprechenden Frequenzbereich
und einer Rauschquelle ab:
- Die Rauschquelle besteht aus einer Diode und einem angeschlossenen, genau vermessenen Dämpfungsglied.
- Die Diode ist von einem speziellen Typ, der bei Stromdurchfluss sehr stark und sehr breitbandig rauscht.
- Die Rauschquelle wird unmittelbar an den Verstärkereingang angeschlossen.
- Der Leistungsmesser wird an den Verstärkerausgang angeschlossen.
- Jetzt werden zwei Messungen durchgeführt: Ausgangsleistung des Verstärkers ohne Diodenstrom und Ausgangsleistung
des Verstärkers mit Diodenstrom.
Die Rauschquelle speist bei Stromdurchgang durch die Diode eine genau bekannte Leistung in den Verstärker ein. Wenn der
Diodenstrom ausgeschaltet wird, sinkt entsprechend die Leistung am Ausgang des Verstärkers. Aus diesen beiden Werten
lassen sich Verstärkung und Rauschzahl berechnen.
Das große Problem dabei ist die nötige Genauigkeit der Messung. So ändert sich durch Ein- und Ausschalten des Diodenstroms
die Impedanz am Ausgang der Rauschquelle. Zudem ist Rauschen eine statistische Größe, d.h. es kann nur ein Mittelwert
bestimmt werden. Die Mittelwertmessung wird um so genauer, je länger man misst. Das Rauschen des Eingangsverstärkers im
Leistungsmesser muss natürlich auch heraus gerechnet werden.
Damit die Messungen nicht zu einfach werden, werden gerade rauscharme Eingangsverstärker nicht mit der üblichen
Leistungsanpassung betrieben. Statt dessen gibt es den Begriff der Rauschanpassung. Das Problem ist ja nicht,
möglichst viel Leistung in den Verstärker einzukoppeln – Verstärkung haben die meist benutzten Transistoren mehr als
genug. Die Rauschanpassung kann man sich so vorstellen, dass die Leistungsanpassung möglichst zwischen den
Verlustwiderständen im Eingangskreis des Verstärkers und der Antennenimpedanz stattfinden soll, damit man ihre thermische
Leistung möglichst über die Antenne abstrahlen kann und sie nicht im Verstärker wirksam werden.
Die Rauschanpassung verkompliziert den Anschluss der Rauschquelle – ein wesentlicher Grund, weshalb man die Rauschquelle
in aller Regel unmittelbar mit dem Verstärkereingang verbindet. Ist dies, z.B. in einem komplexeren Messaufbau, nicht
möglich, müssen die durch die Fehlanpasung verursachten Verluste kompensiert werden. Außerdem muss sichergestellt werden,
dass der Verstärkereingang die Sollimpedanz, in aller Regel 50 Ω sieht. Das wird schnell zu einer Aufgabe,
die man in mehrere anspruchsvolle Promotionen aufspalten kann. Trotzdem wird die Messung dadurch nur auf einzelnen Frequenzen
möglich, für die der Messaufbau vorher sorgfältig und einzeln kalibriert werden muss.
Literatur
- [1] Bimberg, D.: Rausch- und elektrische Spektralanalyse. TU Berlin,
- Wem meine Erklärung zu primitiv ist, bekommt es hier etwas ausführlicher mit Ingenieurmathematik
- [2] Sörgel, Werner:
Messung der Rauschzahl von Mikrowellenkomponenten. Uni Karlsruhe (TH), 2005
- Noch etwas ausführlicher als [1]
- [3] Rech, Wolf-Henning (DF9IC): Untersuchungen an Rauschquellen
- Man merkt, dass der Autor Funkamateur ist: Natürlich kommt er auch nicht um die einschlägige Mathematik
herum, weshalb ich das hier mache. Aber es gibt ein paar Bilder und Bauhinweise – als was zum daran festhalten.
- [4] Wade, Paul (W1GHZ): Noise Measurement and Generation. Here's how to calculate and measure the
noise perfoormdnce of your system.
- In: QEX November 1999, S. 3ff (QEX ist eine Zeitschrift der ARRL.)
Etwas Englisch muss man dafür schon können, dafür werden hier die Grundlagen und die praktischen Auswirkungen auf
ein Empfangssystem sehr anschaulich erläutert.
Eine kürzere Fassung dieses Textes habe ich dem Amateurfunk-Wiki zur Verfügung gestellt.
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