Computer sind im Notfunk unverzichtbar.
Die Zeiten, wo man eine Meldung per Sprechfunk mit Papier und Stift von der Feuerwehr aufnahm
und dann an die Polizei weitergab, sind lange vorbei:
Digitaler TERTRA-Funk und geschlossene Mobilfunknetze haben die Kommunikationsbarrieren im BOS-Bereich niedergerissen.
Digitaltechnik hat auch unsere Möglichkeiten enorm erweitert.
Die Computertechnik hat aber auch ihre Probleme, vom Strombedarf bis zum Strippensalat.
Inhalt
Verfügbare Rechnerwelten
Aktuell gibt es für Privatnutzer vier Systeme, die sich anbieten:
- Die Mehrheit der einschlägigen Programme gibt es für Windows.
Grundsätzlich kann man manche Windows-Programme auch auf anderen Betriebssystemen betreiben.
Das erfordert aber spezielle Kenntnisse und artet wegen der speziellen Perepherie wie Funkgeräten in ziemliche Bastelei aus.
Für Notfunk ist das kritisch, denn komplexe Lösungen sind meist weniger stabil, erfordern oft mehr Ressourcen
und erhöhen den Leistungsbedarf.
- Auf der weitgehend gleichen Hardware kann man auch mit Linux arbeiten.
Mit diesem Betriebssystem kann man auch Hardware weiter nutzen, die Microsoft zum alten Eisen erklärt hat.
Viele Windows-10-Rechner lassen sich offiziell nicht mit Windows 11 betreiben und bekommen kein kostenloses Win11-Update.
Speziell Open-Source-Programme lassen sich relativ leicht zwischen Linux und Windows portieren.
Die Treiberversorgung kann aber schwierig werden.
- Auch für die Apple-Welt gibt es Amateurfunk-Software.
Meines Wissens ist diese Welt aber ziemlich klein.
Ich habe hier keinerlei Erfahrung und halte mich deshalb raus.
- Linux läuft nicht nur auf normaler PC-Hardware, sondern auch auf Kleincomputern wie dem Raspberry Pi.
Diese technische Basis hat ihre speziellen Vorteile wie Kleinheit, geringen Strombedarf der ARM-Prozessor
und eine Vielzahl von Anschlussmöglichkeiten. Es gibt aber Gründe, die gegen diese Technik sprechen:
OH8STN stieg auf Windows-Tablets um [1], ähnlich wie KM4ACK [2].
Wer z.B. eine WSPR-Bake betreiben will, ist mit einem Raspi aber gut bedient [3].
Der Raspberry Pi hatte lange das Alleinstellungsmerkmal des geringsten Leistungsbedarfs.
Mit der Verkleinerung der Strukturbreiten bei Prozessorchips hat sich das aber relativiert:
Manche Apple-Hardware hat enorme Laufzeiten im Batteriebetrieb.
Es gibt mittlerweile aber auch PC-kompatible Hardware mit sehr begrenztem Leistungsbedarf.
Ein schönes Beispiel ist die N100-CPU von Intel,
die mit 10 nm Linienbreite gefertigt wird und eine zulässige Verlustleistleistung (TDP, termal design power) von 6 W hat.
Im Gegensatz zu ihren Vorgängern der Celeron- und Atom-Serien bietet sie auch unter Windows 11
genug Leistung für die meisten AFU-Anwendungen, auch mit digitaler Signalverarbeitung.
Einen ausführlichen Vergleich von N100 Und Raspberry Pi 5 bietet [6].
Reduzieren des Leistungsbedarfs
Ein energieeffizienter Prozessor ist nur eine Komponente.
Viel Leistung kann man auch durch mehrfache Spannungswandlung und stromhungrige Bildschirme verbrauchen.
Die meisten kleineren Rechner werden heute entweder mit 19 V betrieben, wie die meisten Notebooks,
oder mit USB Power Delivery. All das passt nicht zu den 11-15 V, die unsere meisten Akkus liefern.
Von daher war ich auf der Suche nach kleinen Windows-kompatiblen Rechnern mit 12-V-Versorgung.
Die sind auf dem deutschen Markt kaum zu finden. Ich investierte deshalb 200 EUR in einen China-Direktimport.
Mehr Geld wollte ich schon wegen der geplanten Experimente nicht ausgeben.
Meine Grundüberlegung war, dass heutige Computertechnik kaum noch mit 12 V arbeitet.
Gängige Betriebsspannungen sind 5 V und 3,3 V. Prozessoren und RAM werden häufig mit variablen Spannungen
im Bereich 0,9-2 V betrieben.
Ich ging deshalb davon aus, dass die 12 V direkt in einem Schaltregler landen, dem etwas mehr Spannung nichts ausmacht.
Bislang hat sich das bewahrheitet:
Mein N100-Rechner funktioniert problemlos mit den 13,9 V, die der Solar-Laderegler maxinal an die LiFePO4-Akkus liefert.
Die 13,9 V habe ich gewählt, weil der Zellenausgleich in einem LiFePO4-Akku erst ab 13,6 V richtig arbeiten kann.
Wenn man noch 200 mV Spannungsabfall vom Laderegler über die nötige Sicherung zum Akku einkalkuliert,
bleibt nicht mehr vie Fleisch.
Sollte es dann noch Kontaktprobleme geben, können die 13,9 V auch mal bis zum Computer durchschlagen.
Bei Blei-Akkus wird man meist eine noch höhere Ladeschlussspannung wählen, um der Sulfatierung vorzubeugen.
Ich habe so meine Zweifel, dass mein Rechner auch 14,6 V noch verträgt.
Den Rechner habe ich noch nicht so weit zerlegt, dass ich die Elkos hätte untersuchen können.
ich glaube aber nicht, dass die eine Spannungsfestigkeit von mehr als 15 V haben.
Dafür können die Chinesen zu genau rechnen.
Rechner headless betreiben
Die unhandlichsten Komponenten eines Computersystems sind Bildschirm und Tastatur.
Der üblichste Ausweg ist der Einsatz eines Notebooks.
Dann hat man alles in einem Stück. Nur: Wie schließt man die Perepherie an?
Entweder man hat Strippen am Notebook. Oder es artet ziemlich schnell in eine größere Komposition für WLAN und Bluetooth aus.
Ich ging deshalb einen anderen Weg: Der Computer ist fester Teil der Funkinstallation und wird ohne Tastatur und Maus betrieben.
Der Rechner wird mit Standardmethoden ferngesteuert: WLAN und VNC-Software.
Manche Funkgeräte beherrschen selber Bluetooth und/oder WLAN, in aller Regel aber mit deutlichen Einschränkungen.
Meinen IC-705 steuere ich deshalb per USB.
Im Shack betreibe ich ein Netzwerksegment mit einem WLAN-Accesspoint der 30-EUR-Klasse,
der die Vernetzung im Shack vom Internetzugang unabhängig macht.
Dieser WLAN-Accesspoint wird von der Notstromversorgung im Shack versorgt und liefert DHCP usw.
Einen Ethernet-Switch hätte ich sowieso gebraucht.
Wenn der Rechner WLAN kann, könnte man ihn zusätzlich zum WLAN-Accesspoint machen, etwa mit [4].
Auf diesem Weg kann man einen beliebigen Rechner ohne spezielle Softwareinstallation zum Fernsteuern der Station nutzen:
Beliebigen Rechner mit beliebigem Betriebssystem in das WLAN einbuchen und handelsübliche Fernsteuer-Software nutzen.
Die zugehörigen Installationsprogramme kann man im Funkrechner oder einem USB-Stick speichern.
Ich benutze das VNC-Protokoll, für das es wohl für so ziemlich jedes Betriebssystem Software gibt.
Für Windows-Server gibt es auch das Protokoll RDP, mit dem ich aber keine Erfahrungen habe.
Auf meinen Windows-Rechnern nutze ich TightVNC, unter Android AVNC.
Wenn man die passenden Clients als Installationspakete dabei hat,
kann man mit geringem Aufwand jeden beliebigen Rechner zur Bedienung der Station nutzen.
Mit einem Problem habe ich mich noch nicht beschäftigt: Wie man Audio-Schnittstellen per (W)LAN verlängert.
Für meinen Notfunk-Betrieb reicht es völlig, per Fernsteuerung und CAT den Lautsprecher im Funkgerät zu bedienen.
Offensichtlich gibt es auch dafür Lösungen.
Hinweise zur Fernsteuerung
Es gibt zwei Gelegenheiten, zu denen ich noch Tastatur, Bildschirm und Maus an den Rechner im Shack anschließe:
Wenn ich ins BIOS will oder wenn VNC nicht mehr funktionieren will.
Den ersten Fall könnte man anders wohl nur mit Rechenzentrumstechnik lösen,
wo die Server einen eigenen Ethernetanschluss für solche Arbeiten haben.
Für das zweite Problem drückt man notfalls auf den Reset-Knopf, was heute meist ein längeres Drücken auf den Einschalter bedeutet.
Ein Problem ist häufig die Desktop-Größe.
Da ist es hilfreich, wenn man den Funkkomputer mit einer kleineren Bildschirmgröße betreibt als die Rechner,
mit denen man den Funkcomputer fernsteuern will. Deshalb ist der Shack-Computer auf 1440 x 900 Pixel eingestellt.
Von einem Smartphone aus will man Desktop-Software eher selten fernsteuern. Aber mit einem Tablet-Computer klappt das gut.
Was auf einem 24-Zoll-Bildschirm gut zu lesen ist, artet auf einem 10-Zoll-Bildschirm doch zu ziemlichen Augenpulver aus.
Dann ist es hilfreich, wenn man im VNC-Client den Bildschirm aufziehen kann.
Das gerade benutzte Programmfenster kann man auf einem 10-Zoll-Bildschirm wohl meist noch gut lesen und bedienen.
Man muss den Bildausschnitt halt ggf. verschieben.
FT8 & Co kann man wohl noch mit einer Bildschirm-Tastatur bedienen.
Beispielsweise bei VarAC wird das doch arg mühsam. Dann helfen Bluetooth-Tastatur und -Maus weiter.
Dabei merkt man aber, warum drahtlose Tastaturen und Mäuse gewöhnlich ihren eigenen USB-Dongle mitbringen:
Der Bluetooth-Stack baut offensichtlich Verbindungen relativ flott wieder ab, wenn sie nicht genutzt werden.
Dann muss die Verbindung erst wieder aufgebaut werden, was ein paar Sekunden dauert.
Die ersten Tasten- und Mausdrücke gehen deshalb verloren.
Bluetooth-Tastaturen und -Mäuse leiten übrigens Sonderzeichen,
Drücke auf die rechte Maustaste oder Betätigung des Rollrades durch Android und VNC durch.
Nur bei Zeichen, die über die ALT-GR-Taste eingegeben werden, muss man ggf. erst mal suchen.
Auch das Bedienen von Funktionstasten kann schwierig werden.
Ich fahre jedenfalls ganz entspannt aus dem Sessel im Wohnzimmer VarAC-QSOs.
Nichts ist so anschaulich wie ein Beispiel: Ich sitze im Sessel und lese was.
Da höre ich den CQ-Sound von VarAC aus dem Shack – erkennbar aber nicht groß (die YL) störend.
Wenn ich Lust auf ein QSO habe, greife ich zum Android-Tablet und starte die VNC-App.
Ist die Station stark genug, dass sie mich als QRP-Station hören könnte, antworte ich.
Öfter mal schickt mir die Gegenstation während eines QSOs eine URL.
Per Mausclick öffne ich in VarAC die entsprechende Website.
Auf dem Tablet ist es aber schwierig, Desktop-Websites zu lesen.
Also stelle ich den Webbrowser (auf dem Shack-Rechner unter Windows) in den Hintergrund.
Irgendwann nach dem QSO gehe ich ins Arbeitszimmer und starte dort eine VNC-Sitzung für den Shack-Rechner.
Jetzt kann ich mir die Website komfortabel ansehen.
Masseschleifen vermeiden
Spätestens wenn die Funkinstallation mehr als 10 W Hochfrequenz liefern kann,
sollte man sich über die Masseströme Gedanken machen.
Zwischen Funkgerät, Endstufe und Matchbox ist das noch kein ernstliches Problem,
weil die Koaxkabel niederohmige Masseverbindungen erzeugen.
Kritisch wäre aber, wenn die Masseverbindung von Funkgerät oder Computer zu hochohmig werden.
Dann könnten über das dünne USB-Kabel weit größere Ströme fließen, als sich das die Entwickler vorstellen konnten.
Deshalb habe ich die USB-Verbindung zwischen Funkcomputer und und Funkgerät über einen USB-Isolator geführt.
Die gibt es schon für unter 20 EUR. Geräte dieser Preisklasse können maximal 12 Mbit/s übertragen,
was für CAT und Soundkarte ausreichen sollte.
Damit ich den USB-Isolator universell für USB2 nutzen kann, habe ich 40 EUR für einen USB-Isolator spendiert,
der auch 480 Mbit/s übertragen kann.
Man sollte hier ein Gerät mit USB-Anschlusskabel bevorzugen,
damit der USB-Isolator keine der sowieso knappen USB-Buchsen am Minirechner blockiert.
Funkstörungen?
Regelmäßig höre ich Klagen über Funkstörungen. Manche sind berechtigt,
die meisten aber weisen auf Probleme der eigenen Installation hin.
Meist wird die Abstrahlung der Störungen überschätzt – wo ist etwa bei einem USB-Netzteil eine irgendwie wirksame Kurzwellenantenne?
Erfahrungsgemäß landen die meisten Störung entlang irgendwelcher Leitungen im Empfänger.
Über dieses Thema habe ich mich schon viel ausgelassen, z.B. auf den Seiten
Ferrit-Entstörmaterial richtig einsetzen und
Funkstörungen durch "Brummschleifen".
Dabei bleibe ich, auch wenn z.B. OH8STN Anderes behauptet [5].
Tatsache ist: In meiner Funkinstallation stecken diverse Schaltregler und Computer,
ohne dass ich mit Funkstörungen zu kämpfen hätte. Das schließt ausdrücklich einen billigen 2-kW-Wechselrichter ein,
der galvanisch mit der Funkstation verbunden ist. Mit zwei dünnen Ferritringen bekam ich ihn so ruhig,
dass ich auf 40m QRP-Stationen in Nordamerika arbeiten kann.
Verweise
- [1] Off-Grid Ham Radio OH8STN: Goodbye Raspberry Pi
- [2] KM4ACK: Why I Quit the Raspberry Pi
- [3] WSPR-Bake mit Raspberry Pi: http://www.hjberndt.de/dvb/wspr.html
- [4] MyPublicWIFI
- Dieses Programm macht einen Windows-Rechner zum Accesspoint
- [5] Off-Grid Ham Radio OH8STN: Victron SmartSolar MPPT Charge Controller
- In diesem Video kämpft Julian mit einem MPPT-Laderegler von Victron. Dazu verdrosselt er so ziemlich alle Leitungen,
nicht aber die wichtigste: Das Antennenkabel. Ich betreibe mehrere und auch leistungsstärkere Geräte genau dieser Serie.
Auf jedes KW-Antennenkabel gehören an beide Enden Mantelwellendrosseln!
- [6] GeeKom: Intel Alder Lake-N N100 vs. Raspberry Pi 5: Detaillierter Vergleich
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