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Dimensionierung einer Funk-Notstromversorgung


Wenn man als Funkamateur Notfunk betreiben will, braucht man eine geeignete Notstromversorgung. Die einfachste Möglichkeit ist, seine Handfunke mit externen Batterien oder Akkus zu betreiben. Wer etwas mehr tun will, wird schnell bei einer Solaranlage landen.

Informationen zum konkreten Aufbau von Notstromversorgungen gibt es in einem eigenen Kapitel.

Solarmodule sind vor allem dann wichtig, wenn man den speziellen Vorteil des Amateurfunks nutzen will: Die BOS-Kommunikationsnetze dürften nach 2-3 Tagen ohne Stromnetz ziemlich am Ende sein, weil der Diesel für die Stromaggregate knapp wird. Ich glaube nicht daran, dass der Nachschub ohne funktionierendes Stromnetz klappt: Tanklager müssen die Kraftstoffe pumpen und abrechnen. Ohne Ampeln bricht der Verkehr in den Städten zusammen. Ein Sturm kann die Zufahrt zur Feststation auf einem Berg versperrt haben... Mal abgesehen davon, dass ein wesentlicher Teil der Stromaggregate sowieso garnicht erst anläuft oder kurzfristig ausfällt [97].

Ergänzt man den Akku mit Solarmodulen, wird netzunabhängiger Betrieb praktisch unbegrenzt lang möglich. Wer ein Übriges tun will, kann ein Notstromaggregat der 1-kW-Klasse für 300 EUR und ein Ladegerät für 100 EUR kaufen. Damit kann man alle paar Tage mal den Akku nachladen. Allerdings muss ein Notstromgenerator regelmäßig gewartet werden.

Was ich hier beschreibe beruht auf mehrjähriger Erfahrung. An meinem ersten Experimentalsystem begann ich 2017 zu arbeiten. Dazu gehören die Solarmodule am Balkon, die auf dem untersten Bild zu sehen sind. Angefangen habe ich mit gebrauchten Solarmodulen und Blei-Gel-Akkus.

Siehe auch die Verweise links unten in der Navigationsspalte.

Erster Schritt: Strombedarf und Betriebsdauer definieren

Schaltregler für Handfunke

Teilnahme an Notfunknetz mit Handfunke

Eine Handfunke sollte häufig reichen, um das nächste Relais zu erreichen. Beim Empfang braucht eine Handfunke vielleicht 100 mA bei 7,2 V. Beim Senden sind es schnell 2 A – abhängig von der benötigten Sendeleistung. Bei 10% Sendebetrieb sind das 0,3 Ah auf 7,2-V-Basis.

Nimmt man einen Blei-Gel-Akku der 20-EUR-Klasse, also 12 V/7 Ah, kann man etwa 4 Ah nutzen. Ein kleiner Schaltregler wie im Bild reduziert die Stromverbrauch aus dem Akku auf etwa 0,2 Ah/Stunde. Man kommt also auf etwa 20 Betriebsstunden der Handfunke mit dem Akku. Unterstellt man 5 Bereitschaftsperioden von jeweils 10 min pro Tag, bedeutet das weniger als 1 Betriebsstunde am Tag. Man kann also 20 Tage lang am Notfunknetz teilnehmen, wenn keine weiteren Aktivitäten nötig sind.

Teilnahme am Notfunknetz mit Mobilfunkgerät

Es gibt Gründe, den Notfunkbetrieb mit einem Mobilgerät aufzunehmen, vom Anschluss der Stationsantenne über eine größere Sendeleistung bis zu speziellen Funktionen, etwa Crossband-Relais.

Das erkauft man aber mit einem bedeutend höheren Strombedarf. Nehmen wir mal 500 mA RX und 6 A TX an, alles auf 12-V-Basis. Jetzt kommt man auf etwa 1 Ah/Stunde auf 12-V-Ebene – Faktor 5 mehr als mit der Handfunke. Obiger Akku ist also nach 4 Tagen am Ende. Fährt man den Akku auf Verschleiß, kommt man auf eine Woche. Falls das Funkgerät auch unter 11 V noch funktioniert.

Wenn man unterstellt, dass die Katastrophenschutzdienste sich erst nach dem Zusammenbruch ihrer eigenen Kommunikations-Infrastruktur an uns erinnern, ist das zu wenig. Immerhin kann man bis dahin Welfare-Traffic machen, also Informationen für die Bevölkerung transportieren.

Betrieb eines einfachen FM-Relais

Ich sehe keinen entscheidenden Grund, warum ein einfaches Relais viel mehr Stromedarf als eine Mobilstation haben sollte. Den Unterschied sehe ich eher in der Betriebsdauer und damit der nötigen Akku-Kapazität. Für die Steuerung braucht man kaum mehr als einen Arduino oder einen kleinen Raspberry Pi.

Mein Vorschlag ist, Relais für mindestens 20 Tage ohne Netzbetrieb auszurüsten. Solarbetrieb kann die Betriebsdauer fast beliebig ausdehnen. Bei 12 V/1 A bedeutete das 12 V/500 Ah! In LiFePO4-Technik wäre man da bei 2000 EUR. Das lässt sich aber deutlich reduzieren:

  • Heutige Handfunkgeräte sollten sich auch als Relais-RX eignen.
  • Das Relais fällt bei Stromausfall in den Notfallbetrieb, in dem wenig mehr als das Handfunkgerät im Empfängerzweig mit Strom versorgt wird. Wenn das Relais aufgetastet wird, dauert das halt einige Sekunden, bis das Relais auch sendet. Diese Verzögerung gibt es nur beim ersten Auftasten, nicht im QSO. Sobald es 3 min keinen Betrieb mehr gab, schaltet das Relais wieder ab.
  • Es ist unwahrscheinlich, dass das Wetter zwei Wochen lang immer grau in grau ist. Mit einem 400-Wp-Solarmodul für 250 EUR, einem Laderegler für einen ähnlichen Betrag und 200 EUR Kleinkram drum herum sollte ein 200-Ah-Akku für 600 EUR für eine Verfügbarkeit jenseits der 95% reichen. Wenn das Relais im Normalbetrieb eine wohl realistische Belegung von 30 min/Tag hat, kann der Stromanschluss komplett entfallen.

Nur wenig mehr Energievorrat erfordert das Einbinden des Relais in einen Verbund mit HAMNET-Methoden.

Die Notstromversorgung auch für das QTH nutzen

Wenn man schon eine Notstromversorgung aufbaut: Warum soll man sie nur für das Hobby und den unwahrscheinlichen Ernstfall aufbauen? Aus diesem Grund dachte ich Ende Februar 2022 (warum dann?) gleich etwas größer. Ich wollte unter möglichst allen Randbedingungen mindestens 500 Wh/Tag zur Verfügung haben, trotz der recht ungünstigen Randbedingungen, siehe Bild:

Solarmodule an Hauswand
  • Mein Shack braucht ohne Sendebetrieb gut 20 W, beim Senden bis zu 50 W. Der QRP-Transceiver und der WLAN-Accesspoint fallen dabei nicht groß ins Gewicht, aber ein kleiner Windows-Rechner.
    Wenn ich daheim bin, lasse ich den Funk laufen – meist mit VarAC auf 40m oder 20m. Wenn ich Winlink Express starte, kann ich Emails senden und empfangen, was ich im Katastrophenfall als Welfare-Traffic machen will. FM auf 2m und 70cm kann ich natürlich auch.
  • An einem Dutzend Ports kann ich USB-Geräte laden. Daraus will ich ggf. ein Angebot für die Nachbarschaft machen.
  • Im Normalfall hängt auch meine Kühl-Gefrierkombination mit an der Notstromversorgung. Die hat Energieklasse A und kostete weit über 1000 EUR. Dieser Kühlschrank verbraucht aber nur gut 200 Wh/Tag, während der 13 Jahre alte Vorgänger wenigstens 600 Wh/Tag mehr verbrauchte.
    Bei 30 ct/kWh bedeutet das eine Ersparnis von 65 EUR/Jahr. Über die Lebensdauer amortisierte sich der Mehrpreis – sofern ich den Kühlschrank am Stromnetz betriebe.
    Durch die geringe Leistungsaufnahme kann ich ihn aber auch an der Solar-Notstromversorgung betreiben. Mit den Wechselrichter-Verlusten braucht er aber reichlich 400 Wh/Tag.
  • Im Ernstfall würde ich mich entweder auf sonniges Wetter verlassen oder einen Teil der Gerätschaften abschalten. Dann kann ich z.B. stundenweise meine Heizung betreiben.

Ausgehend von den Erfahrungen aus meinem alten Experimentiersystem kaufte ich folgende Komponenten:

  • 1 kWp Solarmodule. Die habe ich senkrecht an die Hauswand geschraubt. Das ging recht einfach, weil das Haus mit Holz verkleidet ist. So geht mir im Sommer einige Energie verloren, aber ich will ja über das ganze Jahr möglichst gleichmäßig ernten.
    Der begrenzende Faktor ist übrigens der Solar-Laderegler, den ich noch eine Stufe größer hätte kaufen sollen. Der begrenzt bei 35 A, was bei 13,5 V etwa 480 W bedeutet. Selbst mit den vertikal montierten Solarmodulen hole ich noch mehr als die Hälfte der Nennleistung raus! Wenige werden mehr als 80% der Nennleistung erten können. Das liegt am Messverfahren.
    Die drei Solarmodule sind in Serie geschaltet, was rund 100 V Solarspannung bedeutet. Der Hintergrund sind die reichlich 20 m Leitung bis in den Keller. Bei maximal 5,5 A kann ich problemlos 2,5 mm2-Leitungen verwenden.
  • 35 A/150 V MPPT-Solarladeregler. Der liefert an wolkenlosen Tagen bis zu 3 kWh, trotz der oben sichtbaren Abschattungen. An einem wolkenloser Tag liefert er also also Strom für bis zu 6 Tage.
  • 12,8 V/300 Ah LiFePO4 Akkus, also knapp 4 kWh. Bedenkt man den parallelen Verbrauch, kann ich die Energie von zwei wolkenlosen Tagen speichern.
  • 600/800 W Wechselrichter: Dieser Wechselrichter hat 8 W Eigenverbrauch, was relativ wenig ist. Das war mir wichtig, weil ich eine möglichst langen Laufzeit erzielen will. Für die meisten Geräte reicht das. Nur der Luftentfeuchter im Keller läuft damit nicht. Siehe unten.
  • 2-kW-Wechselrichter: Im Sommer wusste ich in meinem Inselnetz nicht, wohin mit dem ganzen Solarstrom. Da kam ein Sonderangebot bei einem regionalen Baumarkt gerade recht: Der Wechselrichter liefert zwar nur modifizierten Sinus, aber das reicht mir. So konnte ich im Sommer 23 knapp 100 kWh an den Luftentfeuchter verfüttern. Das Problem ist nicht der Normalbetrieb mit rund 300 W, sondern der Anlaufstrom des Kompressors. Wenn die Sonne reichlich scheint, kann ich auch mal das Kaffeewasser mit Solarstrom warm machen.

Der 2-kW-Wechselrichter war ursprünglich nicht vorgesehen, wird sich aber spätestens in drei Jahren bezahlt machen. Zusätzlich bekomme ich so Redundanz: Wechselrichter enthalten Leistungselektronik, die doch öfter mal ausfällt.

Solarmodule im Winter abgeschattet

Warum Selbstbau und keine Powerstation?

Mit dem Selbstbau spart man kaum Geld, gewinnt aber Flexibilität. Wenn man auf technisch versierten Youtube-Kanälen wie Zerobrain die Untersuchung von Powerstations verfolgt, sind die meist für meine Zwecke schlecht geeignet:

  • Kaum je kommt man direkt an die Batteriespannung ran, was für mich die wichtigste Anwendung ist. LiFePO4-Akkus haben mit nominell 12,8 V die optimale Spannungslage für das Shack. Aus guten Gründen arbeiten Powerstations mit mehr als 1 kW Wechselspannungs-Ausgangsleistung mit 24 V oder gar 48 V.
  • Die Wechselrichter sind für Notstromversorgungen zu hungrig. In aller Regel sind Powerstations so ausgelegt, dass man den Akku in einer Stunde leersaugen kann. Auf einer Baustelle oder so ist das sicher sinnvoll, führt aber zu einem viel zu hohen Eigenverbrauch. Da kommen schon mal 25 W Eigenverbrauch zum Vorschein.
  • Wenn Powerstations einen Solar-Laderegler enthalten, kann man 36-V-Module nur in Parallelschaltung anschließen. Ich wollte die Notstromversorgung aber im Keller haben, wofür bei 500 W/15 A ziemlich dicke Strippen nötig gewesen wären. Die hätte ich nicht in meine Leerrohre reingebracht.

Ich will auch nicht verschweigen, dass ich in der ganzen Konstruktion auch ingenieurgemäßes Spielzeug sehe :-)

Warum nicht gleich eine richtige Solaranlage?

Warnung! Schon der Aufbau meiner Solaranlage erfordert einiges Spezialwissen, vom Generatoranschlusskasten (GAK) über doppelt isolierte Leitungen bis zur Erdung. Wer gar an seiner großen Solaranlage etwas ändern will, darf das nur von einer Elektro-Fachkraft erledigen lassen.

Das liegt bei mir an den Bäumen, die südlich meiner Grundstücksgrenze in den Himmel ragen. Von Anfang November bis in den Februar liegen alle geeigneten Dachflächen im Schatten. Das im Bild sichtbare Dach gehört zwar dem Nachbarn, auf meinem sieht es aber nicht besser aus. Der First ist gerade nicht mehr zu sehen. Mehr als ein paar 100 Wh/Tag kann ich unter diesen Umständen nicht ernten. Etwas besser würde es mit Solarmodulen, die diverse Meter höher montiert wären. Den Aufwand mit Gerüst usw. wollte ich mir nicht antun.

Die meisten Solaranlagen mit Netzeinspeisung eignen sich aber ebenfalls nicht für irgendwelche Notfallzwecke: Die Solarmodule speisen ausschließlich den Wechselrichter. Sobald das Stromnetz ausfällt, sind diese Anlagen tot, selbst wenn sie Akkus enthalten, denn auch die Akkus hängen direkt am Stromnetz.

Die Alternative ist ein Strompfad von den Solarmodulen über einen Laderegler direkt zu den Akkus und von dort zu einem Wechselrichter. Der sollte sowohl ins Stromnetz einspeisen können, als auch nach Umschaltung das Haus eigenständig versorgen können.

Die einfachste Möglichkeit ist, an die Akkus einen eigenständigen Wechselrichter anzuschließen, der dann einzelnen Geräte mit Strom versorgt. Da bietet sich der Kühlschrank an, der dann bei einem Stromausfall nicht auftaut, oder eben das Shack.

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Alexander von Obert * http://www.dl4no.de/thema/dimensio.htm
Letzte Änderung: 10.11.23 (Erstfassung)


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