Über viele Jahrzehnte sah der deutsche Amateurfunkverband Notfunk nur durch die Brille Unterstützung der offiziellen Hilfsdienste (BOS).
Das war schon immer Scheuklappen-Denken, denn alle einschlägigen Bestimmungen
(VO Funk, Amateurfunk-Gesetz, Ausführungsbestimmungen dazu) kennen diese Verengung nicht.
Die entscheidende Bestimmung ist Aufhebung des Drittenverkehrs-Verbotes in Not- und Katastrophenfällen:
Unter normalen Umständen dürfen wir nur Informationen von Funkamateuren an andere Funkamateure weitergeben.
Die Deutsche Bundespost sah das Drittenverkehrs-Verbot in alten Zeiten sehr eng.
So gab es in den 1970er Jahren beim Bayrischen Rundfunk den Moderator Ulrich Paasche, der Funkamateur war.
In einer abendlichen Musiksendung führte er ein, dass er Wetterberichte aus aller Welt verlas,
die er am gleichen Tag über seine Amateurfunkstation erhalten hatte.
Solche Wetterberichte gehören zum standardmäßigen Inhalt einer Kurzwellen-Fernverbindung –
man bekam sie selbst zu Zeiten des Eisernen Vorhangs aus dem Ostblock.
Aber die Weitergabe in seiner Sendung wurde ihm offiziell verboten.
BOS nicht mehr am Amateurfunk interessiert
In der Analogzeit gab es einen Aspekt des BOS-Funks, der unsere Unterstützung attraktiv machte:
Im BOS-Funk wurden die Frequenzen sehr sorgfältig so koordiniert, dass sich die einzelnen Dienststellen nicht gegenseitig störten.
Anders ausgedrückt: Wenn solche Dienststellen bei Einsätzen zusammenarbeiten mussten, stieß das auf ernsthafte Probleme.
Fremde Helfer konnten auch die lokale Funk-Infrastruktur wie Relais nicht nutzen.
Da konnten wir Brücken bauen.
Mittlerweile ist der BOS-Funk digitalisiert.
Entweder nutzen die Einsatzkräfte TETRA-Funkgeräte oder mehr oder weniger normale Smartphones in geschlossenen Netzen.
So ein Netz betreibt beispielsweise auch die Deutsche Bahn (GSM-R).
In beiden Fällen ist es kein Problem, Gruppen zu bilden oder einen beliebigen Teilnehmer des geschlossenen Netzes anzurufen.
Das Ergebnis: Die BOS-Dienste sehen uns mittlerweile eher als Störfaktor denn als Hilfe.
Das zeigte sich ganz deutlich in den Flutkatastrophen des Jahres 2021:
Es wurden keine Funkamateure angefordert, obwohl die entsprechenden Strukturen im Amateurfunkverband aktiviert worden waren.
Um es mal plastisch zu machen: Kaum ein Einsatzleiter des THW will im Ernstfall Leute in seinem Trupp haben,
die von den üblichen Verfahren des THW keine Ahnung haben.
Umgekehrt will sich kaum ein Funkamateur zum regelmäßigen, ehrenamtlichen Dienst im THW verpflichten,
um vielleicht irgendwann mal angefordert werden zu können.
Dieser Zusammenhang ist natürlich bekannt, wird aber ganz offensichtlich ignoriert.
So bauen Funkamateure immer noch Notfall-Funkkoffer, die für solche Einsätze optimiert sind.
Solche Initiativen werden wohl so lange ins Leere laufen, bis die letzte TETRA-Station mangels Notstrom-Diesel verstummt.
Funkamateure im Welfare Traffic
Immerhin hat der deutsche Amateurfunkverband mittlerweile erkannt, dass er nicht nur den Begriff Welfare Traffic
ais dem Amerikanischen übernehmen kann, sondern ihn auch mit Leben füllen sollte. Der Notfunk-Referent, Oliver Schlag, DL7TNY,
formulierte das im Hebst 2021 so: In Zeiten eines langanhaltenden Kommunikationsausfalls möchte das Referat vorbereitet sein,
um die Bevölkerung und ungebundene Helfer vor Ort unterstützen zu können. Deshalb haben wir ein Konzept erstellt,
an dessen Entwicklung viele externe Helfer aus der Wirtschaft, aus den Hilfsorganisationen, aus der Feuerwehr,
der Bundeswehr und auch der Politik mitgewirkt haben.
Weiter meint er: Aufbau und die Vorhaltung eines Grundstocks an Material auf Bundesebene wie auch der Ausbau der regionalen
Notfunkgruppen stehen hierbei im Zentrum.
Eines fehlt hier völlig: Eine Einbindung der Zivilbevölkerung im Allgemeinen und der Gemeinden im Besonderen.
Dort, wo wir im Fall des Falles helfen könnten, weiß niemand von den Möglichkeiten des Amateurfunks.
Genau so ist die Vorhaltung eines Grundstocks an Material auf Bundesebene wohl für die Katz':
Wie soll dieses Material beispielsweise in einem Blackout vor Ort geschafft werden und wer kann dann damit umgehen?
Wie könnte das anders gehen?
Die große Chance des Verbandes wäre doch, die über 1000 Ortsverbände im ganzen Land zu Aktivitäten vor Ort zu bewegen.
Aus eigener Erfahrung weiß ich, dass das ein mühsames Geschäft ist, das Funkamateure alleine auch nicht betreiben können.
Umgekehrt gibt es Einzelkämpfer und kleine Gruppen von Bürgern, die sich auf Katastrophen vorbereiten –
also beispielsweise Vorräte anlegen. Mit solchen, lokalen, Initiativen müssen sich die Funkamateure vernetzen.
Gemeinsam kann man viel eher das Interesse des Bürgermeisters oder des Gemeinderates erregen.
Denn allein wird man weggeschoben:
Die persönliche Referentin meines Bürgermeisters erledigte meine einschlägige Anfrage mit dem Hinweis,
dass in Bayern für den Katastrophenschutz die Landkreise zuständig seien.
Genau so mühsam ist es, die Nachbarschaft auf die einschlägigen Gefahren hinzuweisen:
Die allermeisten wollen sich mit solchen unangenehmen Themen nicht beschäftigen.
Einer meiner Nachbarn hat den festen Glauben, dass ein Blackout nicht passieren könne
und meine PMR-Notfallsets
eine überflüssige und ziemlich abgefahrene Idee seien.
Auf die katastrophalen Folgen eines Blackouts
kann man in so einer Situation nicht mehr hinweisen, ohne als Verschwörungstheoretiker dazustehen.
Dabei hält sich der Aufwand für einen Sicherheitsgurt in engen Grenzen.
Die Zusammenarbeit mit so einer lokalen Gruppe entbehrt nicht der Skurilitäten.
Nach dem alten Sponti-Motto legal, illegal, scheißegal werden von der BNetzA verbotene Baofeng-Funkgeräte [1] beschafft,
die sie eindeutig nicht nutzen dürfen.
Als Funkamateur wird man mit Fragen gelöchert, was denn die besten Frequenzen seien und wie man in der Großstadt 30 km und mehr überbrücken könne.
Der Hinweis, dass das Bestehen einer Amateurfunk-Linzenprüfung der Klasse E kein Kunstwerk sei,
stößt auf wenig Verständnis. Vollständig den Rahmen sprengt die Frage, wo man vernüftige Funkgeräte für das 4m-Band
bekommen könne – wohl mit dem Hintergedanken, die Hilfsdienste im Fall des Falles selber ansprechen zu können.
Wie kontraproduktiv das wäre, ist den Leuten nicht beizubringen.
Man kann diese Zurückhaltung auch positiv betrachten: Aus den USA, die eine bedeutend einfachere Einstiegslizenz haben als wir hier,
kommen deutliche Klagen: Es gelingt sehr häufig nicht, diese Neuzugänge in die Amateurfunk-Gesellschaft einzubinden.
Die wollen lediglich die Funkgeräte legal benutzen dürfen und ignorieren die über 100-jährige Geschichte des Amateurfunks völlig.
Was sollte der einzelne Funkamateur tun?
Als Funkamateur sollte man sich auf seine Kernkompetenzen besinnen.
Beginnen wir mal mit der Idee, dass im Katastrophenfall öfter mal der Strom ausfällt.
Dann könnte eine Notstromversorgung hilfreich sein.
Im einfachsten Fall besteht die Notstromversorgung aus einem 100er-Pack Mignon-Zellen,
den es im Versandhandel für 15-20 EUR gibt. Solche Batterien sind problemlos 5 Jahre lagerfähig.
Das hilft natürlich nur dann weiter, wenn man seine Ausrüstung auf solche Primärzellen standardisiert hat.
Es gibt Lampen und Radios, die sich damit betreiben lassen. Für mache Handfunkgeräte gibt es geeignete Batteriekästen.
Die nächste Stufe sind Solar-Stromversorgungen.
Die Grundidee dabei: Strom in Batterien oder Akkus zu speichern ist extrem teuer. Wenn das Stromnetz ausgefallen ist,
kann man Akkus am einfachsten mit Solarmodulen aufladen.
Der Akku muss dann nur so groß sein, dass er ein paar Regentage überbrücken kann.
Während der Regentage kann man ja extra sparen, indem man beispielsweise weniger am Smarthphone daddelt.
Wenn die Solar-Stromversorgung leistungsfähig genug ist,
kann man mit Hilfe von Powerbanks auch die Nachbarn mit einem Existenzminimum an Strom versorgen.
Das war eine zentrale Überlegung für meine PMR-Notfallsets:
Der Funkgeräte-Akku reicht vielleicht für 8 Stunden Standby-Betrieb mit ein paar Wortmeldungen.
Dazu kann man einigen Wissenstransfer betreiben – wie oben geschildert wohl wesentlich erst,
wenn das Kind in den Brunnen gefallen ist. Dafür kann man aber Vorbereitungen treffen, beispielsweise Unterlagen ausdrucken.
Ganz wichtig ist, wenigstens Teile der eigenen Funkanlage auch ohne externen Strom betreiben zu können.
Womöglich reicht da eine Handfunke mit ein paar Ersatzbatterien, um über das nächste Relais arbeiten zu können.
Man sollte zumindest wissen, welche regionale Notfall-Infrastruktur es gibt.
Die Königsdisziplin ist wohl der Zugang zum Winlink-Netz, mit dem man per Kurzwelle weltweit Emails verschicken und emfangen kann.
Hier sollte man sich mit den lokalen Vereinen vernetzen:
Wenn beispielsweise der frühere Vorsitzende nach Kanada ausgewandert ist,
kann ihn der Verein zum Notfall-Ansprechpartner für die Mitglieder ernennen.
Der Vorstand hält den Kontakt zu ihm per Amateurfunk und Winlink.
Mitglieder und ihre Angehörigen außerhalb des Katastrophengebietes können über diese Vertrauensperson den Kontakt nach Hause halten.
Für viele dieser Überlegungen ist entscheidend, dass man lokal und lange im Voraus Vorbereitungen trifft.
Dieser entscheidende Erkenntnis fehlt den deutschen Amateurfunkverband ganz offensichtlich.
Davon sollte man sich aber nicht abhalten lassen, im Gegenteil:
Hier kann man mit Überlegung, aber ohne große Koordination und ohne den Verband, wichtige Arbeit zur Katastrophenvorbereitung leisten.
Verweise
- [1] Amtsblatt der Bundesnetzagentur 21-2021, Seite 1457:
Allgemeinverfügung bezüglich eines Vertriebsverbotes für ein Gerät [Baofeng UV-5R 5W HT]
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